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Leben ohne Zins und Wachstum - Ausblick auf eine neue Ära

Unter diesem Titel fand am 1. Dezember 2012 die dritte Konferenz des Denkwerks Zukunft im Berliner Umweltforum statt. Über 400 Gäste aus Wissenschaft, Wirtschaft, Gesellschaft und Politik verfolgten die Vorträge und Diskussionen von 15 namhaften Experten unterschiedlicher Fachbereiche.

Im Mittelpunkt der Konferenz stand die Frage, wie sich wichtige Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft entwickeln, wenn das Wachstum der Wirtschaft zum Stillstand kommt oder sogar in Schrumpfung umschlägt.

Dass Stillstand oder Schrumpfung keineswegs nur hypothetisch sind, verdeutlichte Meinhard Miegel anhand jahrzehntelanger Wachstumstrends in früh industrialisierten Ländern. Sie tendieren gegen null und alle Versuche, dies zu korrigieren, waren bislang erfolglos. Daran wird sich auch künftig voraussichtlich nichts ändern. Vielmehr werden Umwelt- und Ressourcengrenzen, verschärfter internationaler Wettbewerb, demographischer Wandel, sich ausbreitende postmaterielle Sicht- und Verhaltensweisen sowie Schuldenbremsen die bisherigen Trends sogar noch verstärken. Zwar wird es Miegel zufolge auch künftig Wachstum geben, "aber wahrscheinlich wird Anderes wachsen als der Geldwert aller in einem Zeitraum erstellten Güter und Dienste, also das BIP".

Dabei ist dem Verhaltensforscher Wulf Schiefenhövel zufolge das Streben nach Wachstum in der menschlichen Natur tief verankert. Beispielsweise wird Erfolg im Wettstreit mit anderen bei Männern durch einen Schub an Testosteron belohnt. Für diesen Mechanismus gebe es anders als bei Durst oder Hunger keine "abschaltende Endhandlung", sondern eine "rauschhafte Aufwärtsspirale".

Auf die Frage, wie sich Wachstumsstillstand auf die Geld- und Zinswirtschaft auswirkt, waren sich die Finanzwissenschaftler Richard Werner und Thomas Mayer einig, dass Zinsen nicht dauerhaft über den Wachstumsraten liegen können, ohne dass es zu einer massiven Umverteilung von unten nach oben kommt. Deshalb dürfte die Politik versucht sein, durch expansive Geldpolitik den Zins zu drücken. Dies würde allerdings, so Thomas Mayer, zu wirtschaftlicher Instabilität und Ineffizienz führen. Dagegen hält Richard Werner ein Leben ohne Zins für effizienter. Voraussetzung sei jedoch ein "anderes Geldsystem".

Dem Soziologen Stephan Lessenich zufolge muss in einer Gesellschaft, deren Wirtschaft nicht mehr wächst, die Frage der Verteilung neu gestellt werden. Der Übergang zu einer produktiven Postwachstumsgesellschaft stehe und falle "mit der effektiven Sicherung basaler Gleichheitsrechte gesellschaftlicher Teilhabe und Beteiligung". Nach Lessenich wird die Postwachstumsgesellschaft "egalitär sein oder autoritär werden müssen".

Ähnlich argumentierte der Direktor des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung, Wolfgang Streeck. Solidarität in einer Postwachstumsgesellschaft würde neue, über die Geldwirtschaft hinausgehende Produktions-, Arbeits- und Leistungsmodelle erfordern, "die der monetären 'Plusmacherei' Grenzen setzen". Er plädierte dafür, die zahlreichen, konkreten Utopien einer weniger ressourcenverzehrenden Lebensweise ernst zu nehmen, "wenn mit dem Wachstum nicht auch die einheitsstiftende Rolle der Politik verschwinden soll".

Referate, Diskussion, Präsentationen, Teilnehmerliste sowie weitere Informationen werden ab 3. Dezember unter www.denkwerkzukunft.de bereitgestellt.

Für Fragen steht zur Verfügung:

Stefanie Wahl
Denkwerk Zukunft - Stiftung kulturelle Erneuerung, Ahrstraße 45, 53175 Bonn
E-Mail: stefanie.wahl@denkwerkzukunft.de
Telefon: 0228 372044 oder 0172 5918936