Zeit zu handeln


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Was der Tod mit dem Wachstum zu tun hat

Zwischenruf von Heike Leitschuh

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Heike Leitschuh vergrößern

In den Krimis, die viele so sehr lieben, ist er immer präsent, der Tod. Im wahren Leben jedoch wollen wir nichts mit ihm zu tun haben: Immer öfter verzichten Angehörige auf eine Trauerfeier, es soll schnell vorbei sein das Abschiednehmen, die Grabpflege wird zur Dienstleistung, wenn es überhaupt noch ein Grab gibt. Immer weniger Menschen können mit Trauernden umgehen. Man meidet sie. Und diese beeilen sich, die Trauer hinter sich zu lassen, um wieder mithalten zu können in einem Leben, das nur das Leben, aber nicht dessen Ende kennen will. Wir tabuisieren unsere Endlichkeit. Sie passt nicht in eine Welt, in der alles gestalt- und machbar erscheint. Denn sie wirft uns schmerzhaft auf das zurück, was wir eigentlich sind: verletzliche, begrenzte Wesen, die eines Tages einfach nicht mehr da sind. Das ist eine entsetzlich narzisstische Kränkung. Ihr wollen wir entgehen.

Deshalb ist das Versprechen eines unbegrenzten Wachstums so ungeheuer attraktiv. Deshalb unternehmen wir alles, um in diesem Leben "immer noch einen drauf zu setzen". Es muss doch noch ein bisschen mehr möglich sein, dann geht es weiter. Solange wir das schaffen, können wir den quälenden Stachel des Todes betäuben. Wir narkotisieren unsere Angst mit einem Fortschrittsdenken, dass nur ein Ziel kennt: von allem mehr und das schneller.

Der Abschied vom Wachstumsparadigma (das natürlich auch ökonomische Ursachen hat) bedeutet zunächst das Loslassen zu lernen. Erst dann werden auch Postwachstumsmodelle in größerem Stil Gehör finden. Die heutige Generation der Entscheider aber tut sich besonders schwer loszulassen. Man sollte ihnen das herausforderndste aller Themen nicht ersparen: Die Endlichkeit. Ihnen nicht und uns nicht.

Heike Leitschuh ist Journalistin, Moderatorin & Beraterin für Nachhaltige Entwicklung und lebt in Frankfurt am Main. Die Buch-Autorin ist Mitherausgeberin des ‚Jahrbuch Ökologie'. (www.fairwirtschaften.de)