Einsicht und Weitsicht sind gefordert!
Zwischenruf von Alois Heißenhuber
Die Erarbeitung von besseren Kriterien zur Beurteilung des Wohlstandes eines Landes ist längst überfällig. Es ist doch bemerkenswert, dass in dem kleinen Land Bhutan derartige Kriterien, die über rein monetäre Maßstäbe hinausgehen, sogar in der Verfassung verankert sind. Mit der Festlegung von Kriterien und Zielen ist es aber nicht getan, weder in Bhutan noch in anderen Ländern. Natürlich kann man sagen, wir brauchen erst die "richtigen" Ziele, um in die richtige Richtung gehen zu können. Neben der Zielformulierung sind aber auch noch die Ausprägung bzw. das Maß an Zielerreichung von Bedeutung. Schließlich steht auch noch das Problem der Zielkonflikte im Raum. Selbst wenn alle diese Probleme gelöst wären, könnten wir uns immer noch nicht entspannt zurücklehnen, es ist zu klären, wie und wann diese Ziele erreicht werden sollen. Die Energiewende stellt dafür ein beredtes Beispiel dar. Hier wurde ein eindeutiges Ziel samt Zeitraum festgelegt, dafür gab es sogar eine breite Basis sowohl im Parlament als auch in der Bevölkerung - was ja schon ein Novum darstellt. Die aktuellen Probleme zeigen aber die Komplexität des Sachverhaltes. Es herrscht, zumindest zum Wie, keine Übereinstimmung mehr. Nicht minder zerstritten ist man im Bereich des Klimaschutzes, dessen Notwendigkeit wird ja noch akzeptiert, doch wenn es um Art und Weise der Zielerreichung geht, dann gibt es fast nur Dissonanzen.
Als Fazit bleibt: Das BIP ist kein geeigneter Wohlstandsindikator. Es gibt viel bessere Maßzahlen, entweder in aggregierter Form oder in einem Nebeneinander mehrerer Indikatoren. Neben der Festlegung von Messgrößen ist es unbedingt erforderlich, die notwendigen Schritte aufzuzeigen, um das Ziel zu erreichen. Aber selbst dann muss auch der politische Wille und die Mehrheit gegeben sein, um diese Schritte zu gehen. Die jüngsten Skandale in der Fleischbranche zeigen, dass die Politik oftmals erst unter dem Druck solcher Vorkommnisse die Kraft aufbringt, die notwendigen Schritte zu unternehmen, so war es ja auch nach der Katastrophe von Fukushima. Wirklich problematisch wird es aber, wenn Entwicklungen nicht mehr umkehrbar sind. Dies könnte z.B. beim Klimawandel gegeben sein.
Insofern tragen wir eine große Verantwortung, die richtigen Indikatoren zur Messung des Wohlstandes zu setzen, die Ziele zu definieren, umsetzbare Schritte zur Zielerreichung festzulegen und schließlich die erforderlichen Schritte zu gehen. In welchem Maße uns das gelingt, hängt von der Einsicht und der Weitsicht der Politiker und der sie tragenden Bevölkerung ab.
Prof. Dr. Dr. h.c. Alois Heißenhuber ist Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftslehre des Landbaues an der TU München-Weihenstephan