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Not und Bequemlichkeit

Zwischenruf von Wolfgang Schmidbauer

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Unsere Psyche ist weit mehr auf Not angewiesen als wir wahrhaben wollen. Jäger und Sammler legten jeden Tag im Durchschnitt 15 Kilometer zurück, um ihre Familie ernähren zu können. Doch Diabetes, Herzinfarkt, Fettleibigkeit oder Schlaganfall waren weithin unbekannt.

Wer seine Nahrung sammeln muss und nicht im Supermarkt einkaufen kann, hat weit bessere Chancen, gesund zu bleiben. Ebenso ist bei einer solchen Lebensform ökologische Stabilität selbstverständlich. Aber wer möchte leben wie damals, abgesehen davon, dass ohne intensive Landwirtschaft die vielen Menschen nicht hinreichend ernährt werden könnten?

Die einstigen Jäger und Sammler lehren uns jedoch, dass immer mehr Komfort schädlich sein kann - zum Beispiel die Autofahrt zum Einkaufen. Wer seine Steinzeitnatur kennt, weiß allerdings auch, dass gute Vorsätze allein nicht reichen, um künftig zu Fuß oder mit dem Fahrrad die Einkäufe zu erledigen. Deshalb gilt es Hindernisse aufzubauen: das Auto abschaffen oder seine Nutzung mit anderen teilen.

Es wäre nicht nur für unsere Kinder heilsam, wenn die Energie, die allein unsere Bildschirme brauchen, durch Muskelkraft produziert würde. Ein anderes Beispiel: Wenn Trinkwasser kostbar ist - ist dann nicht ein Brunnen im Hof sinnvoller und sozialfreundlicher als eine Wasserleitung, die zur Verschwendung geradezu herausfordert und aus der gar nichts mehr fließt, wenn die Reservoirs leer sind? Erst wenn Privathaushalte energieautark sein werden, werden Familien wirklich sparen und womöglich sogar noch Spaß dabei haben.

Wolfgang Schmidbauer arbeitet als Psychoanalytiker in München. Er veröffentlichte 1972 sein erstes Buch über die psychologischen Schäden der Wachstumsgesellschaft („Homo consumens. Der Kult des Überflusses") und 2012 sein bisher jüngstes („Das Floß der Medusa. Was wir zum Überleben brauchen")