Gedanken im März
Wirtschaftlich geht es den meisten alten Menschen heute gut in Deutschland, vielen sogar sehr gut und allen weitaus besser als es jemals einer Altengeneration in diesem Land gegangen ist.
Die gängige Reaktion auf diesen unbestreitbaren Sachverhalt ist: Das haben sich die heute Alten aber auch redlich verdient. Zwar haben sie im historischen Vergleich nicht übermäßig hart aber alles in allem doch fleißig, diszipliniert und nicht zuletzt innovativ gearbeitet. Darüber hinaus waren sie recht haushälterisch. Was sie jetzt in die Scheuer fahren sind die Früchte dieser eindrucksvollen Generationenleistung.
Das alles ist richtig, doch leider nur die halbe Wahrheit. Denn eben diese Generation, die es sich jetzt im Alter wohlgehen lässt, hat einen Raubbau an Umwelt und Natur betrieben wie keine Generation vor ihr, hat weltweit Heerscharen von Menschen für Hungerlöhne für sich schuften lassen, hat sich durch nicht gehabte Kinder Investitionen in Billionenhöhe erspart und dennoch riesige Berge öffentlicher Schulden aufgehäuft. Anlass zur Selbstgefälligkeit haben die heute Alten nicht. Ihr Wohlbefinden wurde teuer erkauft. Vielleicht zu teuer.
Umso bedenklicher ist, dass sie jetzt als Maßstab dafür dienen, wie ein gelungenes Leben auszusehen hat. Dann heißt es bei den Jüngeren: So gut wie unsere Eltern oder Großeltern werden wir es nicht mehr haben. Der internationale Wettbewerb ist härter geworden, unsere innovativen Vorsprünge schwinden und am Ende droht vielen Altersarmut.
Auch das ist richtig, aber zum Glück wiederum nur die halbe Wahrheit. Denn was viele der Jüngeren heute als verdüsterte Zukunft empfinden ist nichts anderes als die Rückkehr zu einer belastbaren Wirklichkeit. Sie haben die Chance, das bisherige Illusionistentheater hinter sich zu lassen und Lebensformen zu entwickeln, die ungleich zukunftsfähiger sind als jene der zurückliegenden Jahrzehnte. Das ist kein billiger Trost, sondern die Hinwendung zu einer neuen Kultur der Substanz und Nachhaltigkeit, zu einer auch politisch neuen Kultur.