Zeit zu handeln


Übersicht Beiträge und Veröffentlichungen

Künftig arbeitsintensivere Produktionsweise wahrscheinlich

Um Güter und Dienste im Realwert von 1.000 Euro zu erwirtschaften, wenden die Deutschen heute noch knapp 60 Prozent der Primärenergie und rund 25 Prozent der Arbeitszeit von 1960 auf. Ursächlich für diese Entwicklung sind Effizienzsteigerungen infolge des vermehrten Einsatzes von Wissen und Kapital.

Wie das Schaubild zeigt, sank die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden je BIP-Einheit besonders stark in den 1960er und 1970er Jahren, während der Energieverbrauch in diesem Zeitraum mehr oder minder stagnierte. Wissen und Kapital wurden also vor allem dazu eingesetzt, die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden zu reduzieren, nicht aber dazu, den Energieverbrauch zu senken.

bigImage

Zurückzuführen ist dies unter anderem auf die unterschiedliche Entwicklung der Preise für Arbeit und Energie: Während sich die Kosten für eine Arbeitsstunde bis Mitte der 1970er Jahre nominal fast verfünffachten,[1] erhöhten sich die Energiepreise kaum. Für ein Barrel Rohöl stiegen sie zwischen 1960 und 1973 lediglich um zehn Prozent. Die Preise je Tonne Importkohle gingen sogar geringfügig zurück.[2]

Seit den beiden Ölpreisschocks Mitte der 1970er und Anfang der 1980er Jahre wird allerdings energiesparender produziert. Gleichzeitig verlangsamte sich der Rückgang des Arbeitsvolumens. Seit 2007 ist die Zahl der je BIP-Einheit geleisteten Arbeitsstunden sogar wieder leicht gestiegen.

Auch künftig dürfte das Arbeitsvolumen je BIP-Einheit weiter steigen, während der Energieverbrauch - voraussichtlich sogar beschleunigt - sinken dürfte. Hierfür spricht, dass sich Energie - ebenso wie andere Rohstoffe - aufgrund der wachsenden Weltbevölkerung, der rasant steigenden Nachfrage in den aufstrebenden Volkswirtschaften sowie verstärkter politischer Anstrengungen zum Klimaschutz spürbar verteuern wird. Wissen und Kapital wird deshalb vor allem genutzt werden, um den Energie- und Ressourcenverbrauch zu senken.

Der Anreiz, Arbeitskosten durch die Verringerung des Arbeitsvolumens einzusparen, wird hingegen nachlassen. Denn abgesehen von bestimmten Fachkräften werden die Löhne der Mehrheit der Beschäftigten auch künftig nur langsam steigen. Inflationsbereinigt werden sie nicht selten sogar sinken. Zurückzuführen ist dies unter anderem auf den anhaltend intensiven internationalen Standortwettbewerb, den Kostendruck, dem die Unternehmen bei Energie und Rohstoffen ausgesetzt sind, steigende Zuwanderung aus ärmeren Weltregionen sowie sinkende staatliche Transferleistungen, die den Druck auf Erwerbstätige erhöhen, auch weniger gut bezahlte Arbeiten anzunehmen. Darüber hinaus wird die Zunahme des Arbeitsvolumens dadurch begünstigt, dass infolge der Bevölkerungsalterung in Zukunft vermehrt Tätigkeiten in arbeitsintensiven Bereichen wie dem Gesundheitswesen, der Pflege und bei haushaltsnahen Diensten nachgefragt werden.

(Stand: 26. Juli 2011, Martin Schulte)


[1] Bis 1959 Bruttoverdienste der Arbeiter. Ab 1960 Arbeitnehmerentgelte je Arbeitnehmer. Eigene Berechnung auf Grundlage von Daten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit und der AMECO-Datenbank der Europäischen Kommission.

[2] Vgl. Lukas Emele (Juni 2009), Entwicklung der Strompreise im Verhältnis zur Kaufkraft und Abhängigkeit der Strompreise von den Primärenergiekosten im Untersuchungszeitraum 1950 bis heute. Projektarbeit der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg in Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg, S. 57f. Teilweise eigenen Umrechnungen auf Euro-Basis.