Zeit zu handeln


Übersicht Beiträge und Veröffentlichungen

Ausbeutung natürlicher Ressourcen:
Kaum Unterschiede zwischen Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern

Häufig halten Politiker und Bürger aus Europa und Nordamerika den Menschen in Schwellen- und Entwicklungsländern vor, dass sie ihre natürlichen Ressourcen ausbeuten, ohne Rücksicht auf Umwelt-, Arten- und Klimaschutz zu nehmen. Zwar ist diese Kritik in der Sache meist richtig, doch ist sie scheinheilig.

Zum einen wird ein großer Teil der in Schwellen- und Entwicklungsländern geförderten Ressourcen in den westlichen Industrieländern verbraucht, nicht zuletzt, weil diese ihre eigenen Rohstoffvorkommen bereits weitgehend ausgebeutet haben. Zum anderen fördern Europäer und Amerikaner dort, wo sie noch über Vorkommen von Rohstoffen verfügen, diese nicht minder rücksichtslos. Drastische Beispiele hierfür sind der Kahlschlag von Wäldern oder der Abbau von Ölsanden in Kanada. Hierdurch werden ganze Landstriche zerstört.

Auch rohstoffarme Industrieländer stellen den Umweltschutz in der Regel weit hinten an, wenn es sich wirtschaftlich lohnt, dem Boden die wenigen noch vorhandenen Rohstoffe zu entnehmen. In Deutschland gilt dies vor allem für die Braunkohle. Hierzulande wird seit 1920 ohne Unterbrechung die weltweit größte Menge an Weichbraunkohle gefördert.[1] 2010 waren es, wie Schaubild 1 zeigt, insgesamt 169 Millionen metrische Tonnen.

bigImage

Da Braunkohle im Tagebau gewonnen wird, wird der Boden bis zu einer Tiefe von 120 Metern regelrecht umgegraben. Dies stellt einen massiven Eingriff in die regionalen Ökosysteme dar. Vor allem aber ist die Verstromung von Braunkohle eine der klimaschädlichsten Arten der Elektrizitätserzeugung. In Deutschland trägt Braunkohle mehr als jeder andere Energieträger zum Stromaufkommen bei. 2010 stammte über ein Fünftel des produzierten Stroms aus Braunkohlekraftwerken.[2] Diese emittieren, wie Schaubild 2 zeigt, mit 969 bis 1190 Gramm Kohlendioxid pro erzeugter Kilowattstunde Strom bis zu dreimal mehr Treibhausgase als Gaskraftwerke.[3] Damit sind sie einer der Hauptverursacher der globalen Klimaerwärmung.

bigImage

Gerade Länder wie Deutschland, die für sich in Anspruch nehmen, Vorreiter beim Umwelt- und Klimaschutz zu sein, sollten also zunächst selbst mit gutem Beispiel vorangehen, bevor sie das Verhalten von Schwellen- und Entwicklungsländern kritisieren. Nur dann können sie ihre Forderung nach einer weltweit nachhaltigeren Nutzung von Ressourcen glaubwürdig vertreten. 

(Stand: 30. Mai 2012, Martin Schulte)

 


[1]    Vgl. Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), Reserven und Ressourcen, Braunkohle 2009, URL: http://www.bgr.bund.de/DE/Themen/Energie/Kohle/braunkohle_2009.html

[2]    2010 waren es 22,7 Prozent, gefolgt von Kernkraft (22,3 Prozent), Steinkohle (18,2 Prozent), Erneuerbare Energien (16,9 Prozent), Erdgas (14,1 Prozent), Pumpspeicherwasserwerke (1,1 Prozent) und sonstige Energieträger (4,5 Prozent). Vgl. Umweltbundesamt (2011), Strommix in Deutschland, URL: http://www.umweltbundesamt.de/energie/archiv/strommix-karte.pdf.

[3]    Vgl. Hermann-Josef Wagner/Marco K. Koch/Jörg Burkhardt/Thomas Große Böckmann/Norbert Feck/Philipp Kruse (2007), CO2-Emmissionen der Stromerzeugung. Ein ganzheitlicher Vergleich verschiedener Techniken, in: BWK Bd. 59 (2007) Nr. 10, S. 44-52.