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Einkommensungleichheit verstärkt sich weiter

Im Juni 2015 berichtete das Denkwerk Zukunft über die wachsende Einkommensschere in Deutschland. Die Analyse bezog sich auf Daten bis 2012 des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) des Deutschen Instituts für Wirtschaft und Forschung (DIW). Nun liegen Ergebnisse von Eurostat (EU Statistics Income and Living Conditions-EU-SILC) bis 2014 vor. Demnach hat die Einkommensungleichheit, gemessen an der 80/20-Relation, das heißt das Verhältnis des Einkommens des wirtschaftlich stärksten zu dem des wirtschaftlich schwächsten Bevölkerungsfünftels, in Deutschland weiter zugenommen. 2014 hatte das wirtschaftlich stärkste Fünftel der Bevölkerung ein reichlich fünf Mal höheres Einkommen als das wirtschaftlich schwächste (Schaubild 1). Das war der höchste Wert in Deutschland seit 1995 (Schaubild 2). 2012 hatte das wirtschaftlich stärkste Fünftel über ein Einkommen verfügt, das lediglich 4,3 mal so hoch war wie das des wirtschaftlich schwächsten Fünftels.

Schaubild 1: 80/20-Relation in der EU 2014  

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Quelle: Eurostat (2015)

Mit diesem Anstieg hat sich Deutschlands Position im EU-Vergleich der 80/20-Relation deutlich verschlechtert. Zusammen mit dem Vereinigten Königreich rangierte Deutschland 2014 unter den 28 EU Ländern an 16. Stelle und damit nahe am EU-Durchschnitt. 2012 hatte Deutschland noch auf dem 12. Rang und damit deutlich unter dem EU-Durchschnitt gelegen. Zwar nahm seit 2012 die Einkommensspreizung auch in 15 weiteren EU-Ländern, unter ihnen Spanien, Italien und Schweden, zu, doch war der Anstieg mit 19 Prozent nirgendwo so ausgeprägt wie in Deutschland. Dagegen verringerte sich im gleichen Zeitraum die 80/20-Relation beispielsweise in Dänemark von 4,5 auf 4,1 und in Frankreich von 4,5 auf 4,3.

Schaubild 2: Entwicklung der 80/20-Relation in ausgewählten EU-Ländern
                     1998-2014 

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Quelle: Eurostat (2015)

(*Für die EU28 werden die Daten erst ab 2010 ausgewiesen. Daher werden zum EU-Ländervergleich die Daten der EU15 herangezogen.) 

Ursächlich für den markanten Anstieg in Deutschland seit 2012 dürften weiterhin überdurchschnittlich steigende Einkommen aus Kapitalvermögen, beispielsweise in Form von Dividendenzahlungen sein, die dem wirtschaftlich stärksten Fünftel überproportional zufließen. Beim wirtschaftlich schwächsten Fünftel dürfte dagegen die Einkommensentwicklung durch die geringen Erhöhungen der Renten und anderer Transferleistungen gedämpft worden sein.

Folgt man dem Wohlstandsquintett des Denkwerks Zukunft, bei dem der Wohlstand neben der 80/20-Relation durch das Pro-Kopf-BIP, die gesellschaftliche Ausgrenzungsquote, den ökologischen Fußabdruck im Verhältnis zur Biokapazität und die Schuldenquote gemessen wird, hat der Wohlstand in Deutschland aufgrund der zunehmenden Einkommensungleichheit partiell abgenommen. Untersuchungen zeigen, dass Europäer, die in Ländern mit einer unterdurchschnittlichen Einkommensungleichheit leben, tendenziell etwas zufriedener mit ihrem Leben sind als diejenigen, deren Länder eine überdurchschnittliche Einkommensungleichheit aufweisen. Denn Einkommensungleichheit - so weitere Untersuchungen - führt u.a. zu einem Verlust von Vertrauen, vor allem aber schürt sie Statusängste.

Quellen:

Eurostat, EU Statistics Income and Living Conditions-EU-SILC

Kai Daniel Schmid, Andreas Peichl, Moritz Drechsel-Grau (2015), Querverteilung und Spitzeneinkommen in Deutschland. Einkommensungleichheit - Quo vadis? Report 108 des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung.

Arbeitsgruppe "Zufriedenheit" des Ameranger Disputs der Ernst-Freiberger Stiftung (2010), Zufrieden trotz sinkenden materiellen Wohlstands

J.Delhey-G.Dragolov (2013), "Why Inequality Makes Europeans Less Happy: The Role of Distrust, Status Anxiety, and Perceived Conflict"

 

(Stand November 2015, Stefanie Wahl)

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