Zeit zu handeln


Übersicht Referenten und Diskutanten

Elena Esposito

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Elena Esposito ist Professorin für Soziologie an der Universität von Modena und Reggio Emilia. Sie studierte Politikwissenschaft und Philosophie und promovierte 1990 bei Niklas Luhmann in Bielefeld. Sie forscht zu Theorien sozialer Systeme, zur Medien- und Modetheorie, Gedächtnisforschung sowie ökonomischer Theoriebildung in Bezug auf deren Wirkmächtigkeit in der und auf die Zukunft. Darüber hinaus ist sie Autorin und Herausgeberin zahlreicher Publikationen.

Statement zum Diskussionsthema

Der demonstrative Konsum scheint uns absolut sinnlos - weniger aber, wenn wir über die Lage der modernen Individuen reflektieren: wir haben keine von Außen gegebene Identität (möchten sie auch nicht haben) und müssen selbst unsere Identität entwickeln und erkennen. Wir bilden unsere Identität durch unser Selbst­bild, indem wir uns in den Augen der Anderen reflektieren - mit allen Mitteln, die die Gesellschaft uns zur Verfügung stellt, zuvorderst dem demonstrativen Konsum.

Das Problem ist, dass dieser nunmehr unvermeidliche Prozess von der Logik der (an Neuheit orientierten) Massenmedien und der (an Wachstum orientierten) Wirt­schaft geleitet wird: zwei Imperative, die nichts mit Rationalität zu tun haben - we­der für die Gesellschaft (wie alle Probleme des Verhältnisses mit der natürlichen und sozialen Umwelt zeigen) noch für das Individuum (die Selbstverwirklichung wird immer schwieriger und unplausibler).

Das Problem ist also nicht so sehr, dass die Menschen irrational sind: wie Kant schon sagt, ist es in vielen Fällen weniger wahnsinnig, mit den Anderen wahnsinnig zu sein als weise allein. In der Lebenswirklichkeit wäre rationales Verhalten oft irrational. Wir sollten uns daher fragen, warum eine Gesellschaft Wahnsinn zur Norm erhebt, und wie diese sich ausdrückt.

Ausgewählte Veröffentlichungen

Die Zukunft der Futures. Die Zeit des Geldes in der Finanzwelt und Gesellschaft. Carl-Auer, Heidelberg (2010)

Die Fiktion der wahrscheinlichen Realität. Suhrkamp, Frankfurt am Main (2007)

Reform und Innovation in einer unstabilen Gesellschaft. Lucius & Lucius, Stuttgart (mit G. Corsi) (2005)

Ausgewählte Zitate

"Wir müssen lernen, dass die Zukunft, egal wie komplex wir damit umgehen, sowieso offen bleibt. Dass, auch wenn wir versuchen, keine einzige Zukunft zu planen, sondern mehrere unterschiedliche Szenarien miteinander kombinieren, die Zukunft, wie sie sich dann tatsächlich realisiert, immer anders ist. Alles ist anders, als wir es im Moment voraussehen können - weil die Zukunft eben gerade darauf reagiert, wie wir versuchen, die Zukunft zu planen. Und das ist ein Gedanke, der, soweit ich weiß, in den Mainstream-Techniken der Risikoverwalter und Finanzmärkte kaum berücksichtigt wird."
Interview: ChangeX, 12. Mai 2010

"Unsere Gesellschaft hat den traditionellen Sinn von Gedächtnis der antiken und vormodernen Gesellschaften verloren: die Vorstellung, dass das Gedächtnis - noch grundsätzlicher als zur Aufbewahrung der individuellen Erinnerungen - dazu dient, dem Kosmos eine Ordnung zu geben und Richtlinien für Denken und Handeln zu liefern."
In: Soziales Vergessen, 2002

"Reformen sind ein Problem. Kein Konsens herrscht jedoch darüber, in welcher Hinsicht genau Reformen problematisch sind und wie man am besten damit umgeht. Wenigstens in zweierlei Hinsicht handelt es sich bei Reformen um ein Problem: Zum einen sind Reformen ein weit verbreitetes und diskutiertes Thema. Man redet in allen Bereichen davon: in der Erziehung, in der Politik in der Wirtschaft oder im religiösen Bereich, mit Blick auf die Rechtsordnungen sowie explizit [...] in Bezug auf formale Organisationen. Reformen sind zum anderen problemtisch, weil sie anscheinend strittig sind. Sie rufen Widerstände und Konflikte hervor. Man sucht nach den Mitteln und Wegen, um sie in befriedigender Weise zu realisieren."
In: Reform und Innovation in einer unstabilen Gesellschaft, 2005