Zeit zu handeln


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Marcel Hunecke

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Marcel Hunecke (geboren 1968) ist seit 2009 Professor für Allgemeine Psychologie, Organisations- und Umweltpsychologie an der Fachhochschule Dortmund sowie Privatdozent an der Fakultät für Psychologie der Ruhr-Universität Bochum und dort Mitglied der Arbeitsgruppe für Umwelt- und Kognitionspsychologie. Forschungsschwerpunkte sind Strategien zur Förderung nachhaltiger Lebensstile, die Mobilitätspsychologie und Methoden transdisziplinärer Forschung. Seit 2014 hat er eine Forschungsprofessur an der FH Dortmund inne und leitet dort den Masterstudiengang „Soziale Nachhaltigkeit und demografischer Wandel“.

Kurzstatement

Auf Freiwilligkeit basierende Strategien zur Überwindung nicht nachhaltiger Denk- und Handlungsmuster sind lange bekannt: nachhaltige Verhaltensangebote, Informationen zu umwelt- und klimabezogenen Risiken und möglichst konkrete Hinweise zur Vermeidung dieser Risiken durch eigenes Verhalten, Rückmeldungen über die umweltbezogenen Wirkungen des eigenen Verhaltens und Anreize für nachhaltiges Verhalten. Zur Erhöhung ihrer Wirksamkeit müssen diese kognitiv und situativ ausgerichteten Interventionsstrategien noch zielgruppenspezifisch auf die Bedürfnisse von vielfältigen sozialen Gruppen und Milieus innerhalb einer Gesellschaft ausgerichtet werden. Dieses Vorgehen folgt letztlich einem aus dem Marketing bekannten Modus, mit dem sich jedoch nur kurzfristige Wirkungen in Richtung nachhaltiger Denk- und Handlungsmuster erzielen lassen, weil hierdurch die emotionale Bedürfnisse und persönlichen Entwicklungsziele von Menschen nicht ausreichend angesprochen werden. Ein Marketing für Nachhaltigkeit steht weiterhin auf verlorenem Posten, weil die gegenläufigen kulturellen Tiefenströmungen des immer Mehr, Schneller und Weiter deutlich omnipräsenter und durch attraktivere Rollenmodelle auf allen Kanälen menschlicher Interaktion verbreitet werden.

Nachhaltige Denk- und Verhaltensmuster werden sich nur in den Personengruppen dauerhaft etablieren, die hierdurch - und zwar weitgehend unabhängig von materiellen Anreizen - eine Steigerung ihres persönlichen Wohlbefindens erfahren. Als Voraussetzung hierfür müssen psychische Ressourcen im Individuum gestärkt werden, die sohl das subjektive Wohlbefinden als auch das nachhaltige Handeln fördern: Hierzu zählen Selbstakzeptanz und Selbstwirksamkeit, welche die Widerstandsfähigkeit gegen die ALLESIMMER- Verlockungen des materiellen Konsums erhöhen. Die psychischen Ressourcen Achtsamkeit und Genussfähigkeit setzen transformative Kräfte im Individuum hinsichtlich neuer persönlicher Ziele und Überzeugungen frei. Die psychischen Ressourcen Sinnkonstruktionen und Solidarität erhöhen die Wahrscheinlichkeit das eigene Leben stärker in Richtung nachhaltiger Ziele und Werte auszurichten. Hierbei ist zu bedenken, dass der einzelne, bereits nachhaltig Denkende ohne regulatorische und infrastrukturelle Unterstützung auf Dauer überlastet sein wird, sich nachhaltig zu verhalten. Ein richtiges Denken in falschen Strukturen kostet eben einfach viel Kraft. Andererseits erfordern soziale Innovationen in Richtung auf nachhaltige Regularien und Infrastrukturen genau diese pionierhaften Individuen, die widerstandsfähig genug sind, ihre nachhaltigen Lebensziele und Visionen auch gegen die normativen Kräfte des faktischen Status quo zu verwirklichen.

Ausgewählte Veröffentlichungen

Mobilitätsverhalten verstehen und verändern. Psychologische Beiträge zur interdisziplinären Mobilitätsforschung, Berlin (2015)

Psychologie der Nachhaltigkeit. Psychische Ressourcen für Postwachstums-gesellschaften, München (2013)