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Meinhard Miegel

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Meinhard Miegel (geboren 1939) ist Vorsitzender des Vorstands des 2007 gegründeten Denkwerks Zukunft - Stiftung kulturelle Erneuerung. Er studierte Philosophie, Soziologie sowie Rechtswissenschaften in Washington D.C., Frankfurt am Main und Freiburg und wurde 1967 zum Dr. iur. utr. promoviert. 1992 wurde er als außerplanmäßiger Professor an die Universität Leipzig berufen, wo er das Zentrum für internationale Wirtschaftsbeziehungen leitete. Darüber hinaus war er über 30 Jahre wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft Bonn e.V. (IWG BONN). Ferner ist er seit 2010 Mitglied der Enquete-Kommission "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität" des Deutschen Bundestages. 

Kurzstatement

Das Wachstum der Wirtschaft ist in allen entwickelten Industrieländern von größter Bedeutung. Von ihm hängen subjektive Zufriedenheit, gesellschaftliche Funktionsfähigkeit und möglicherweise sogar die Stabilität der Demokratie maßgeblich ab. Dennoch gelingt es seit Jahrzehnten nicht mehr, die angestrebten Wachstumsraten zu erzielen. Vielmehr nähern sich diese immer mehr der Nulllinie.
Alle Versuche, diesen Trend dauerhaft zu wenden, waren bislang erfolglos. Verursacht haben sie jedoch hohe Schuldenberge und einen Grad an Deregulierung, der sich mittlerweile als höchst problematisch erwiesen hat.
Auch für die Zukunft gibt es keine Anzeichen einer Trendwende. Wahrscheinlich ist eher das Gegenteil: ein beschleunigter Verfall der Wachstumsraten. Dafür sprechen vor allem fünf Gründe:

  • Die bisherige Schuldenpolitik lässt sich ohne schwere Schäden für Wirtschaft und Gesellschaft nicht fortsetzen,
  • Umwelt- und Ressourcengrenzen rücken näher oder sind bereits erreicht und überschritten,
  • die bisherige, extrem privilegierte Position der früh industrialisierten Länder erodiert zügig,
  • während die Weltbevölkerung vorerst weiter an Zahl zunimmt, nehmen die Bevölkerungen der meisten früh industrialisierten Länder ab. Darüber hinaus sind letztere durchschnittlich älter,
  • Sicht- und Verhaltensweisen sind abnehmend wachstumsfokussiert.

Diese Entwicklung legt nahe, das Wohl und Wehe von Individuen und Gesellschaften nicht länger von wirtschaftlicher Expansion abhängig zu machen, sondern nach alternativen Wegen zu suchen.

Ausgewählte Veröffentlichungen

Lebenswerte Städte unter Bedingungen sinkenden materiellen Wohlstands - Herausforderungen und Maßnahmen, Denkwerk Zukunft, Bonn (mit Stefanie Wahl/Martin Schulte/Elias Butzmann) (2012)

Für einen Bewusstseinswandel. Von der Konsum- zur Wohlstandskultur, Denkwerk Zukunft, Bonn (mit Stefanie Wahl/Martin Schulte) (2011)

Exit - Wohlstand ohne Wachstum, Propyläen Verlag, Berlin (2010)

Ausgewählte Zitate

"Die Völker der früh industrialisierten Länder sind bisher nur darin geübt, unter Bedingungen historisch beispielloser Wachstumsraten Verteilungskonflikte zu entschärfen, Beschäftigung zu sichern oder zu investieren. Dass sie das alles auch einmal ohne Wachstum zu bewältigen haben würden, kam ihnen nicht in den Sinn. Doch jetzt ist es so weit. Die Weichen müssen gestellt werden: noch ein Weilchen weitermachen wie bisher und dann gegebenenfalls der steile Absturz oder vorausschauende Anpassung der materiellen Lebensbedingungen an den jeweiligen Wissens-, Könnens- und Erkenntnisstand."
In: "Welches Wachstum und welchen Wohlstand wollen wir?", APuZ, 27-28 (2012)

"Ich halte den Begriff des Kapitalismus für maßlos überstrapaziert. Aus einer Vielzahl von Gründen wurden in neuerer Zeit vermutlich nur tief im Menschen wurzelnde Verhaltensweisen voll entfaltet. Und wäre nicht Karl Marx gewesen, wäre diese historische Entwicklung möglicherweise nie auf einen Begriff gebracht worden. Nun aber ist er in den Köpfen, und es ist ja auch ganz bequem, mit glattgeschliffenen Begriffen und nicht mit sperrigen Wirklichkeiten umgehen zu müssen."
Interview: "Das System ist am Ende, das Leben geht weiter", FAZ (2012)

"Fakt ist jedoch, dass die Lebenszufriedenheit der überwältigenden Mehrheit in Deutschland schon lange nicht mehr vom materiellen Wohlstand abhängt und der Wohlstand durch Wachstum - wenn überhaupt - nur noch mäßig gemehrt wird. Wahrscheinlich ist sogar, dass weiteres Wirtschaftswachstum den Wohlstand mindert, so dass man auch bei einem steigenden Bruttoinlandsprodukt kaum noch davon sprechen kann, dass der Wohlstandspfad nach oben führt."
Interview: "Hier prallen Ideologien aufeinander", klimaretter.info (2012)