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Nachwachsende Rohstoffe: Ein Bärendienst für den Klimaschutz?

Weltweit werden immer mehr Pflanzen und Feldfrüchte angebaut, um sie energetisch zu verwerten. Dies geschieht in der Hoffnung, Treibhausgasemissionen zu senken und die fortschreitende Erderwärmung aufzuhalten. Darüber hinaus soll der Anbau "nachwachsender Rohstoffe" die Energieversorgung sichern und Landwirten neue Einkommensquellen erschließen. Wie eine umfassende Auswertung der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur zeigt, bestehen jedoch Zweifel, ob diese Ziele erreicht werden können.[1]  

Nachwachsende Rohstoffe gelten häufig als klimaneutral, da sie bei ihrer energetischen Verwertung nur soviel Kohlendioxid (CO2) freisetzen, wie sie bei ihrem Wachstum binden. Anders als bei der Nutzung fossiler Energieträger nimmt deshalb die CO2-Konzentration in der Atmosphäre nicht zu.

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Allerdings wird bei dieser Betrachtung unterschlagen, dass beim Anbau nachwachsender Rohstoffe große Mengen Stickstoff-Dünger eingesetzt werden. Stickstoff fördert die Entstehung von Lachgas (N2O), das ein bis zu 300-mal größeres Treibhausgaspotential besitzt als Kohlendioxid.[2] Hinzu kommt, dass nachwachsende Rohstoffe häufig auf Flächen angebaut werden, die zuvor eine natürliche oder naturnahe Vegetation hatten. Die Umwidmung in Ackerland führt dazu, dass die Fähigkeit des Bodens sinkt, Kohlenstoff zu speichern. Hierdurch wird CO2 freigesetzt. Oft vergehen deshalb Jahrzehnte, bevor Biokraftstoffe eine günstigere Klimabilanz haben als fossile Energieträger (siehe Schaubild). Werden Palmölplantagen auf tropischen Mooren angelegt, dauert dies sogar über 420 Jahre. Diese Zahl würde sich noch erhöhen, wenn die Lachgas-Emissionen infolge der Ausbringung von Stickstoff-Dünger berücksichtigt werden.

Insgesamt tragen nachwachsende Rohstoffe also wesentlich weniger als erhofft dazu bei, Treibhausgasemissionen zu senken. Dies gilt verschiedenen wissenschaftlichen Studien zufolge auch für Deutschland. Vor allem Energiepflanzen wie Mais und Raps schneiden hierzulande häufig nur unwesentlich besser ab als fossile Energieträger. Deutlich günstiger ist hingegen die Klimabilanz von Holzhackschnitzeln oder organische Reststoffen wie Getreidestroh, Waldrestholz oder Gülle.[3]

Nahezu bedeutungslos ist in Deutschland darüber hinaus der Anbau nachwachsender Rohstoffe zur Sicherung der nationalen Energieversorgung. Würden hierzulande 30 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzflächen mit Pflanzen zur Energiegewinnung bebaut, könnten damit beim gegenwärtigen Bioenergiemix nur 2,3 Prozent des nationalen Endenergiebedarfs gedeckt werden. Zwar sind insbesondere bei einer intensiven Nutzung von Holzhackschnitzeln in Kraft-Wärme-Koppelungs-Anlagen (KWK) Werte von neun Prozent rechnerisch möglich.[4] Dies wäre zugleich ein nachhaltiger Beitrag zum Klimaschutz. Doch müssten hierfür in großem Stil landwirtschaftliche Flächen aufgeforstet werden. Eine forstliche Nutzung dürfte für die meisten Landwirte im Vergleich zu einer agrarischen Nutzung aber wirtschaftlich weniger attraktiv sein. Damit würde das Ziel verfehlt, mit dem Anbau nachwachsender Rohstoffe die Einkommenslage von Landwirten zu verbessern.

(Stand: 26. Juni 2012, Martin Schulte)

 


[1]    Vgl. K. Butterbach-Bahl/L. Leible/S. Kälber/G. Kappler/R. Kiese (2010), Treibhausgasbilanz nachwachsender Rohstoffe - eine wissenschaftliche Kurzdarstellung, Karlsruhe Institute of Technology, KIT Scientific Reports 7556, ULR: http://www.itas.fzk.de/deu/lit/2010/buua10a.pdf.

[2]    Vgl. ebenda, S. 8.

[3]    Vgl. ebenda, S. 21f. und S. 32f.

[4]    Vgl. ebenda, S. 4.