Zeit zu handeln


Übersicht 4-Referenten-Diskutanten

Hermann E. Ott

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Hermann E. Ott (geboren 1961) ist Senior Advisor für Globale Nachhaltigkeits- und Wohlfahrtsstrategien beim Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie und Honorarprofessor an der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE). Von 1994 bis 2009 arbeitete er für das Wuppertal Institut, u.a. als Leiter der Abteilung Klimapolitik (ab 1998) und als Gründer und Leiter des Berliner Büros (ab 2004). Als Mitglied des Bundestages 2009 bis 2013 war er Klimapolitischer Sprecher für B90/Grüne, Obmann der Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ sowie Leiter von deren Projektgruppe zur Entkopplung von Ressourcenverbrauch und Wirtschaftswachstum. Zudem ist er stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Umweltstiftung.

Kurzstatement

45 Jahre nach den „Grenzen des Wachstums“ bewegen sich praktisch alle ökologischen Indikatoren für den Zustand der Welt in die falsche Richtung. Ob wir beim Klimawandel auf die Temperatur- oder die CO2-Kurve schauen, auf den Schwund der Biodiversität, auf die Versauerung der Ozeane und den schwindenden Fischreichtum in den Ozeanen bzw. die korrespondierende Zunahme des Plastikmülls – überall das gleiche Bild: Der Mensch verändert die planetaren Ökosysteme, betreibt Raubbau an den Reichtümern der Erde und verdrängt die anderen Bewohner unseres Planeten.

Dazu passt, dass die Gesetzgebung auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene stagniert, bestehende Gesetze und Verträge verwässert werden und Neues nicht zustande kommt. Symptomatisch das Schicksal des Kyoto-Protokolls: Mit dem Geburtsfehler eines fehlendes Beitritts der USA behaftet scheiterte 2009 in Kopenhagen der Versuch einer ambitionierten Weiterentwicklung. Als ‚Ersatz’ dann Ende 2015 die Einigung auf das Pariser Klimaabkommen – ein Vertrag ohne rechtliche Pflichten zum Ergreifen von Maßnahmen. Wo nicht einmal die freiwilligen Beiträge ausreichen um die Erwärmung der Welt unter dem noch als gerade akzeptabel angesehenen Limit von 2°C zu halten.

Und das alles trotz einer überwältigenden Evidenz an wissenschaftlichen, technischen und sozio-kulturellen Erkenntnissen - über die Notwendigkeit eines Umbaus unserer Wirtschaft und Gesellschaft, über dessen technologische Machbarkeit und über die sozialen und geistigen Bedingungen des Wandels. Die offensichtliche Unzulänglichkeit der bisherigen Umweltpolitik wird übertüncht mit immer neuen Begriffen und immer neuen Ansätzen: da wimmelt es von ‚großen Transformationen’, ‚paradigm’ bzw. ‚mind shifts’ und der Forderung nach einer ‚transformativen Umweltpolitik’. Das kapitalistische System wird hektisch daraufhin untersucht, ob es sich mit ‚grünem’ (OECD) oder gar ‚intelligentem’ Wachstum so zu einer ‚green economy’ (UNEP) umbauen lässt dass unsere Lebensgrundlagen nicht vernichtet werden.

Nur vor dem Undenkbaren wird bisher zurückgeschreckt, nämlich unser Wirtschaftssystem in Frage zu stellen. Nur ganz vereinzelt wird im Kontext von Degrowth, einer Postwachstums- oder einer Gemeinwohl-Ökonomie danach gefragt, wie denn eine Wirtschaft aussehen könnte, die 10 Milliarden Menschen einen gewissen Wohlstand sichert ohne buchstäblich die Lebensgrundlagen unserer Zivilisation zu vernichten. Doch Politik, Wirtschaft und Gesellschaft scheinen wie gelähmt, Mensch und Menschheit sowohl als Einzelne wie als Gattung unfähig zur Änderung des Verhaltens.

Wie kann diese Blockade überwunden werden? Welche politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Änderungen brauchen wir um ein anderes Verhältnis von Mensch und Natur zu erreichen, um unseren Austausch mit der Natur (und nichts anderes ist ja Wirtschaft) zukunftsfähig zu gestalten? Können Religionen und spirituelle Gemeinschaften helfen, eine neue Form der Empathie und des Mitgefühls für Menschen und alle anderen Geschöpfe zu entwickeln? Diese Fragen stellen sich dieser Konferenz – und ich freue mich darauf, sie zu erörtern und vielleicht sogar ein wenig mehr Klarheit zu erlangen.

Ausgewählte Veröffentlichungen

Quantifying Emissions Reduction Contributions by Emerging Economies (mit Sara Moltmann u.a.), Dessau-Roßlau (2011)

Wege aus der Klimafalle, München (2008)