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Seit fast zehn Jahren sinken Realeinkommen

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Von 2000 bis 2008 ist das reale Bruttoinlandsprodukt in Deutschland um neun Prozent gestiegen. Allerdings kam dieser Zuwachs ausschließlich den obersten zehn Prozent der Bevölkerung zugute. Wie die Graphik zeigt, stiegen deren inflationsbereinigte und bedarfsgewichtete Nettohaushaltseinkommen[1] um elf Prozent.[2] Die Einkommen der verbleibenden 90 Prozent der Bevölkerung gingen hingegen zurück. Im zweithöchsten Dezil sanken sie um ein, im mittleren um vier und in den beiden untersten Dezilen sogar um acht Prozent.

Ursächlich für die Einkommenszuwächse des obersten Dezils war der anhaltende Anstieg der Einkünfte aus Kapital - hierzu zählen unter anderem Zinsen, Dividenden, Mieten und selbst genutztes Wohneigentum - sowie aus selbständiger Erwerbs- und Unternehmertätigkeit. Da in den mittleren und unteren Einkommensdezilen diese Einkunftsarten kaum eine Rolle spielen und die dort bedeutsamen Einkünfte aus abhängiger Erwerbsarbeit zum Teil spürbar zurückgingen, sanken deren Einkommen. In den untersten Dezilen gingen die Erwerbseinkommen infolge von Langzeitarbeitslosigkeit und der Ausweitung des Niedriglohnsektors sogar so stark zurück, dass selbst eine Verdopplung staatlicher Transfers keinen Ausgleich schaffen konnte.

Da vieles dafür spricht, dass sich diese Entwicklung vorerst fortsetzen wird, muss sich die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung auf einen weiteren Rückgang ihres materiellen Wohlstands einstellen. Dies auch deshalb, weil die Politik aufgrund hoher Staatsschulden und des zunehmenden Transferbedarfs infolge der Alterung der Bevölkerung kaum noch Spielraum für weitere Ausgleichsmaßnahmen hat. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sollten allerdings durch eine bessere Qualifizierung, breitere Vermögensbildung und differenzierte Steuerpolitik darauf hinwirken, den materiellen Wohlstandsrückgang abzuschwächen und den vorhandenen Wohlstand gleichmäßiger auf die Bevölkerung zu verteilen.

 


[1]    Das bedarfsgewichtete Nettohaushaltseinkommen umfasst alle einem Haushalt zufließenden Einkünfte aus Erwerbstätigkeit, Vermögen sowie privaten und staatlichen Transferleistungen abzüglich direkter Steuern und Sozialabgaben. Anschließend wird es nach dem Bedarf der Haushaltsmitglieder gewichtet, um zu berücksichtigen, dass Erwachsene einen höheren Bedarf haben als Kinder und für jede weitere Person im Haushalt ein immer geringeres zusätzliches Einkommen benötigt wird, um den Lebensstandard aufrecht zu erhalten.

[2]     Aufgrund der Nettobetrachtung werden staatliche Sachleistungen wie Gesundheits- oder Bildungsausgaben, die im BIP enthalten sind, bei den bedarfsgewichteten Haushaltseinkommen nicht berücksichtigt. Tendenziell dürften diese die Einkommen in den unteren und mittleren Dezilen überdurchschnittlich erhöhen und damit deren realen Einkommensverluste etwas abschwächen. Darüber, wie sich staatliche Sachleistungen auf die einzelnen Dezile verteilen, gibt es bisher keine verlässlichen Studien.