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Stagnierender Wohlstand in den USA

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Werden neben ökonomischen auch gesellschaftliche und ökologische Indikatoren in die Wohlstandsrechnung einbezogen, stagniert der Wohlstand in den meisten westlichen Industrieländern seit langem. Teilweise ist er sogar gesunken. Beispielhaft zeigt dies ein Vergleich verschiedener Wohlstandsindizes für die USA (siehe Schaubild).

Zwar hat sich in den Vereinigten Staaten das Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt - also der Wert aller produzierten Güter und kommerziellen Dienste je Einwohner - seit 1970 mehr als verdoppelt.[1] Doch wurde dieser materielle Wohlstandszuwachs durch Verluste in anderen Bereichen weitgehend aufgezehrt.

Gegenüber 1970 ist der Wohlstand der Amerikaner sogar spürbar zurückgegangen, wenn - wie im Index of Social Health (ISH) - schwerpunktmäßig soziale und Verteilungsindikatoren berücksichtigt werden.[2]

Etwas günstiger sieht es aus, wenn - wie im Weighted Index of Social Progress (WISP) - neben sozialen und Verteilungsindikatoren auch solche zu Bildung, Gesundheit, Gleichberechtigung und kultureller Vielfalt einbezogen werden.[3] Danach nahm der Wohlstand in den USA zumindest bis 1990 zu. Seither ist der WISP allerdings rückläufig und nähert sich dem Wert von 1970 wieder an. 

Einen ähnlichen Verlauf wie der WISP nahm der so genannte Genuine Progress Indicator (GPI).[4] Dieser berücksichtigt zusätzlich unter anderem den Wert hauswirtschaftlicher und ehrenamtlicher Tätigkeiten sowie die Kosten von Ressourcenverbrauch, Klimaerwärmung und Umweltverschmutzung.

Das BIP verdeckt also den Blick auf ökonomische, gesellschaftliche und ökologische Entwicklungen, die den Wohlstand mindern können. Folglich bedarf es ergänzend oder alternativ zum BIP eines aussagekräftigeren Messkonzeptes. Dies nicht zuletzt deshalb, damit Politik und Gesellschaft erkennen, wo Handlungsbedarf besteht.

Ein neues Messkonzept zu entwickeln ist jedoch keine leichte Aufgabe. Denn - wie ebenfalls am Beispiel der USA deutlich wird - hängen Niveau und Verlauf von Wohlstandsindizes maßgeblich davon ab, welche Indikatoren mit welchen Gewichten einbezogen werden. Hierüber Konsens zu schaffen, ist eine große Herausforderung.

 

(Stand: 28. April 2011, Martin Schulte - Denkwerk Zukunft)

 


[1]    Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) misst die wirtschaftliche Leistung einer Volkswirtschaft. Hierfür erfasst es den Gesamtwert aller Güter und Dienstleistungen, die innerhalb eines Jahres innerhalb der Landesgrenzen einer Volkswirtschaft für den Markt hergestellt wurden und dem Endverbrauch dienen.

[2]    Der Index of Social Health (ISH) ist ein Mehrkomponentenindikator. Er besteht aus 16 Sozialindikatoren wie Kindersterblichkeitsrate, Kinderarmutsquote, Jungendselbstmordrate, Schulabbrecherquote, Arbeitslosenquote, Durchschnittslohn oder Einkommensverteilung.

[3]    Der (Weighted) Index of Social Progress (ISP) ist ein Mehrkomponentenindikator, der insgesamt 41 Einzelindikatoren aus den zehn Bereichen Bildung, Gesundheit, Status von Frauen, Militär­ausgaben, Wirtschaft und Einkommensverteilung, Bevölkerung, Umwelt, soziales Chaos, kulturelle Vielfalt und Wohlfahrtsaufwendungen zu einem Index zusammenfasst.

[4]    Der Genuine Progress Indicator (GPI) erweitert die klassische Inlandsproduktrechnung. Er basiert auf den Konsumausgaben der privaten Haushalte. Als Wohl­stand steigernd werden diesen unter anderem der Wert von Hausarbeit und höherer Bildung hinzugerechnet. Als Wohlstand mindernd werden die Kosten von Arbeitslosigkeit, Kriminali­tät, Luftverschmutzung und dem Abbau von Ressourcen abgezogen.