Zeit zu handeln


Übersicht 1. Konferenz

Erste Konferenz des Denkwerks Zukunft
"Besser statt mehr - Wohlstand im 21. Jahrhundert"

bigImage

(Photo: Jan Konitzki)

Eine Gesellschaft ohne Wachstum lustvoll neu erfinden

Erste Konferenz der Stiftung Denkwerk Zukunft trifft auf große Resonanz - auch in konservativen Kreisen

von Heike Leitschuh

Während die neue Bundesregierung ein „Wachstumsbeschleunigungs­gesetz" erlassen hat und das Gros der Politiker und Ökonomen darüber streitet, wie man am schnellsten am meisten Wachstum zustande bringen kann, diskutierten am 30. November rund 350 Menschen darüber, wie man sich am schnellsten von der Wachstumsphilosophie verabschieden könne. Ökos, Linke, die das schon lange tun? Auch. Aber ganz viele, schon erkennbar am feinen Zwirn, die sich eher konservativen oder liberalen Ideen verpflichtet fühlen. Dies ist das vielleicht spannendste Ergebnis der Tagung „Besser statt mehr - Wohlstand im 21. Jahrhundert", zu der die Stiftung Denkwerk Zukunft mit Meinhard Miegel an der Spitze nach Berlin lud und die auf so große Resonanz stieß: Vertreter aus fast allen Teilen der Gesellschaft waren gekommen, selbst solche von Private Equity-Unternehmen oder der Gewerkschaften, Institutionen also, die bisher kaum durch wachstumskritische Töne auffielen. Denn die Sorge wächst, dass eine Wachstumsstrategie die Probleme unserer Zeit eher verschärft, denn lösen kann.

Die Analyse, die Dennis Meadows, international renommierter Wissen­schaftler aus den USA, vortrug, ist leicht zu verstehen: Das Wachstum der Weltwirtschaft ist schon seit Mitte der 80er Jahre mit einem Ressourcen- und Energieverbrauch gekoppelt, der unweigerlich in den ökologischen, aber auch ökonomischen und sozialen Kollaps führt. Effizienz-Techno­logien alleine lösen das Problem nicht. Das zeigt inzwischen die Empirie. Auch die Arbeitslosigkeit und die Krise der Sozialsysteme lassen sich mit Wachstum nicht beseitigen. „Wir doktern an den Symptomen herum. Das Problem aber ist das Wachstum selbst". Vor 30 Jahren, als Meadows für den Club of Rome die „Grenzen des Wachstums" aufzeigte, tat man solche Thesen noch als „unverantwortlichen Unfug" (Meadows) ab, denn die Kurve der Weltwirtschaft zeigte weiter nach oben. Heute aber überbringt Kurt Biedenkopf, ehemaliger sächsischer Ministerpräsident, die Grüße von Bundespräsident Horst Köhler, der „sehr an den Ergebnissen dieser Tagung interessiert ist".

Auch in Großbritannien beschäftigt man sich mit dem Thema, wie ein Wohlstand ohne Wachstum aussehen könnte: Tim Jackson, der dort in der nationalen Kommission für nachhaltige Entwicklung mitarbeitet, sieht uns in ein „Unmöglichkeits-Theorem" eingesperrt, aus dem es gelte auszubrechen, denn „wir leben in einer absolut herausfordernden und faszinie­renden Zeit". Seine drei Lösungsvorschläge: Grenzen setzen, Märkte regulieren, die Denkrichtung ändern. „So bestechend einfach und doch so schwer umzusetzen", sagt Stefanie Wahl, Geschäftsführerin von Denkwerk Zukunft. Wie aber schafft man den Wandel? An welchen Stellen sind die Ideen der Vordenkerinnen und Vordenker gesellschaftlich anschlussfähig?

Zukunftsforscher Horst Opaschowski zeichnet dafür die Konturen eines „immate­riellen Wohlstandkonzeptes", bei dem „Gut leben statt viel haben" die Devise sei, ein Leitbild, das man bereits 1996 im „Zukunftsfähigen Deutschland" von BUND und Misereor fand. Er macht heute immer mehr Menschen aus, die das gültige Wohlstandsmodell kritisch hinterfra­gen. Wohingegen die Politiker an dieser Stelle versagten, weil sie das Thema verdrängten, meint der Philosoph Otfried Höffe.

In der Diskussion um die Rolle der Eliten, die Gesetze des Kapitalismus und die Veränderungsfähigkeit der Menschen zwischen Ex-Metro Chef Klaus Wiegandt, den Wissenschaftlern Karl-Heinz Brodbeck, Harald Welzer und Arne Traulsen sowie dem Stifter des Alter­nativen Nobelpreises Jacob von Uexküll wurde deutlich, dass man zwar an attraktiven Modellen für die Gesellschaft von morgen arbeiten muss, die ohne ein ‚Immer-mehr' funktioniert, dass es aber auch auf die „lustvolle Praxis der Veränderungen" im eigenen Leben (Welzer), das Ausprobieren ankommt. So verlangte denn auch der Initiator dieser Tagung Meinhard Miegel eine "grundlegende kulturelle Erneuerung", nur so ließen sich die „großartigen Chancen", ergreifen, die dieses Jahrhundert böte, um „menschengemäßer zu leben".       

Heike Leitschuh ist Buch-Autorin, Moderatorin und Beraterin für Nachhaltige Entwicklung, Frankfurt am Main, www.fairwirtschaften.de.

Zum ausführlichen Konferenzbericht von Heike Leitschuh