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Zuwanderung als Überlebensprinzip

Beitrag für "Auslandsinformationen" der Konrad-Adenauer-Stiftung

von Meinhard Miegel

In den 25 Jahren von 1991 bis 2015 sind schätzungsweise 23,7 Millionen Menschen nach Deutschland zu- und 18,7 Millionen abgewandert, womit die Zahl der Zuwanderer die Zahl der Abwanderer um ungefähr 5 Millionen überstieg. Wenn sich dennoch die Bevölkerungszahl Deutschlands in dieser Zeit nur mäßig von 81 auf etwa 82 Millionen erhöhte, dann vor allem deshalb, weil von 1991 bis 2015 die Zahl der Sterbefälle um reichlich 3 Millionen höher war als die Zahl der Geburten, die Zuwanderer also zu einem Gutteil Geburtenausfälle ausglichen.

Besonders stark war der Zuzug 2015. Im vorigen Jahr wanderten knapp 2 Millionen Menschen zu- und knapp 0,9 Millionen ab, was ein positives Wanderungssaldo von 1,1 Millionen ergibt. Das heißt nun nicht, dass diese 1,1 Millionen auch noch in zwei oder drei Jahren hier sein werden. Nicht wenige werden - wie in der Vergangenheit - in absehbarer Zukunft freiwillig oder unfreiwillig in ihre Herkunftsländer zurückkehren oder in Drittstaaten weiterziehen und wieder andere, die bleiben können und wollen, werden ihre Familien nachholen. Von den 1,1 Millionen, die 2015 gekommen sind, dürften in zwei oder drei Jahren vielleicht noch 0,4 oder 0,5 Millionen hier sein.

Freilich ist das noch nicht aller Tage Abend. Denn in diesem Jahr kommen ja wieder zahlreiche Menschen nach Deutschland und in die EU - und auch in den Folgejahren dürfte der Wanderungssaldo deutlich positiv, d.h. die Zahl der Zuwanderer höher als die Zahl der Abwanderer sein: im Jahresdurchschnitt vielleicht 0,4 Millionen. Dann läge die Nettozuwanderung innerhalb von drei Jahren bei 1,2 Millionen, wodurch in etwa der Sterbeüberschuss der ansässigen Bevölkerung ausgeglichen würde.

Diese Zahlen zeigen: Als ein Land mit neun Nachbarn war und ist Deutschland eben von jeher mehr als jedes andere Land in Europa ein natürliches Zu-, Ab- und Durchwanderungsland, wo Menschen kommen, gehen und bleiben. Denn es gibt nicht viele Regionen auf der Welt, die von ihrem Klima, ihren Böden, ihrer Topographie und vielem anderen mehr ähnlich begünstigt sind wie Deutschland.

Geändert haben sich allerdings im Laufe der Zeit die Hauptherkunfts-länder der Migranten. Heute kommen sie kaum noch aus Italien, Spanien oder Portugal und noch nicht einmal mehr aus der Türkei, sondern aus Syrien, der Arabischen Republik, Afghanistan, Irak, dem westlichen Balkan und zunehmend den Maghreb-Staaten Marokko, Algerien und Tunesien. Von hier kamen 2015 knapp zwei Drittel der nach Deutschland Zugewanderten. Diese Zugewanderten sind - im Gegensatz zur ansässigen Bevölkerung - jung, vier Fünftel sind jünger als 35, davon ein Drittel jünger als 16 Jahre, und 70% sind männlich, auch wenn sich hier in jüngster Zeit die Relationen ein wenig verschoben haben, da nunmehr auch viele Frauen nach Deutschland kommen. Und sie stehen uns kulturell deutlich ferner als die Zugewanderten der zurückliegenden hundert Jahre. Konkret: sie sprechen nicht nur andere Sprachen, sondern sie haben auch deutlich andere Sitten und Gebräuche und was wohl noch schwerer wiegt: In ihrer großen Mehrheit haben sie auch andere religiöse und rechtliche Vorstellungen.

Dies alles zu verdrängen hieße, den untauglichen Versuch unternehmen zu wollen, die Wirklichkeit zu verdrängen. Nein, die derzeitige Zuwanderung ist eine neue, eine ungewohnte Art von Zuwanderung, mit der niemand - weder die Zuwandernden noch die Aufnehmenden - wirkliche Erfahrung haben und haben können. Dass dies eine Herausforderung ist, die an alle Beteiligten hohe Ansprüche stellt, zeigen unsere europäischen Partner, von denen schon jetzt fast alle kapituliert haben. Das sind nicht nur Polen, Tschechen, Slowaken und Ungarn, sondern auch Dänen, Niederländer, Franzosen, Briten und selbst Schweizer und Schweden. Wie kann, wie soll es da weitergehen?

Bei der Beantwortung dieser Frage scheiden sich taktisch argumentierende Kurzfristoptimierer von strategisch argumentierenden Langfristoptimierern. Die taktisch argumentierenden Kurzfristoptimierer verweisen durchaus faktenuntermauert auf die hohen Kosten dieser Zuwanderung, die sie für Deutschland mit jährlich 25 bis 35 Milliarden Euro beziffern. Sie machen geltend, dass diese Zuwanderung unsere sozialen Sicherungssysteme und gesellschaftlichen Infrastrukturen, also Wohnungen, Verkehrswege, Schulen und Krankenhäuser zusätzlich beansprucht und womöglich überbeansprucht. Sie sind besorgt über das steigende Risiko sozialer Spannungen, insbesondere auf dem Arbeitsmarkt. Und schließlich fürchten sie eine zunehmende kulturelle Heterogenität, die weit über kulturelle Vielfalt hinausgeht. Anders gewendet: sie fürchten um den Bestand der bestehenden staatlich-politischen Ordnung einschließlich der Rechtsordnung. Oder kurz: Sie sind besorgt, dass die ansässige Bevölkerung auf Dauer überfordert werden könne, eine Sorge, die nicht zuletzt von vielen Zuwanderern der zurückliegenden Jahrzehnte geteilt wird.

Ihnen stehen die strategisch argumentierenden Langfristoptimierer gegenüber. Sie machen vor allem drei Argumente geltend:

1. Ohne Zuwanderung wird Deutschland innerhalb weniger Generationen marginalisiert sein, das heißt, in Bedeutungslosigkeit versinken. Die Fakten: Derzeit wächst die Weltbevölkerung jährlich um die Einwohnerzahl Deutschlands, also reichlich 80 Millionen und das mit steiler werdender Tendenz. Seit den 1930er Jahren hat sich die Weltbevölkerung von 2,5 auf 7,4 Milliarden annähernd verdreifacht. Nach den Projektionen der Vereinten Nationen wird sich ihre Zahl bis 2030 weiter auf 8,4 und bis 2050 auf 9,6 Milliarden erhöhen. Das entspricht in rund drei Jahrzehnten einer globalen Bevölkerungszunahme von 2,3 Milliarden oder fast ebenso vielen Menschen, wie um 1930 die Erde besiedelten.

Europäer, namentlich Deutsche, haben an dieser Entwicklung jedoch keinen Anteil mehr. Der Grund: Seit Generationen ersetzen sich Deutsche und Europäer nicht mehr in der Zahl ihrer Kinder. Der letzte Jahrgang, der ebenso viele Kinder hatte, wie er selber zählte, wurde hierzulande bereits 1882 geboren. Seitdem war jede Kindergeneration zahlenmäßig kleiner als die vorangegangene Elterngeneration, seit den 1970er Jahren etwa ein Drittel.

Die Folge dieser gegenläufigen Bevölkerungsentwicklung in Deutschland und Europa auf der einen und der übrigen Welt auf der anderen Seite: Um 1900 waren 25 % der Weltbevölkerung europäisch und 3 % deutsch. Heute sind nur noch 10% europäisch und reichlich 1 % deutsch.

Und gegen Ende dieses Jahrhunderts dürfte der europäische Anteil an der Weltbevölkerung - bei den bisherigen Zuwanderungsraten! - bei schätzungsweise 6 % und der Anteil der Deutschen im Promillebereich liegen. Das kann man in einer so überaus dicht besiedelten Welt begrüßen. Aber man muss sich auch darüber im Klaren sein, dass ohne Zuwanderung das Gewicht von Deutschen und Europäern im Weltbevölkerungsgefüge in großer Geschwindigkeit abnimmt.

2. Zum ersten Mal in der Geschichte altern nicht nur Individuen, sondern die Menschheit insgesamt. Doch Deutsche und Europäer sind auf diesem Weg besonders weit vorangeschritten. Zusammen mit den Japanern stellen sie die ältesten Bevölkerungen der Welt. Der Grund: neben der niedrigen Geburtenrate der starke Anstieg der Lebenserwartung seit Beginn der industriellen Revolution.

Bis dahin war die Lebenserwartung der Menschen sowohl in Europa als auch der übrigen Welt nur wenig gestiegen. Um 1800 wurden die Menschen in Deutschland kaum älter als in der Antike. Das Medianalter - die Hälfte der Bevölkerung ist jünger, die Hälfte ist älter - lag damals bei 18 Jahren und nur wenige Menschen wurden älter als 60 Jahre. Doch dann stieg die Lebenserwartung, wenn auch zunächst nur langsam, an. Um 1900 lag das Medianalter in Deutschland bei 23 Jahren und zum ersten Mal entstand so etwas wie eine Großelterngeneration.

Dennoch lang die durchschnittliche Lebenserwartung einer um 1900 geborenen Frau immer noch bei nur 43 Jahren. Mädchen, die heute geboren werden, können hingegen davon ausgehen, doppelt so alt zu werden, nämlich 86 Jahre.

Zwar kann und wird sich diese Entwicklung nicht für alle Zeiten fortsetzen. Doch für einige Jahrzehnte dürfte sie noch anhalten, das heißt, die Bevölkerung wird älter und älter. Der massenhafte Zustrom vornehmlich junger Menschen - unter ihnen viele Kinder - könnte in Ländern wie Deutschland die Alterung der Bevölkerung zumindest verlangsamen. Besonders für den Arbeitsmarkt könnte dies eine spürbare Erleichterung sein. Denn hier zeigen sich die demographischen Umbrüche schon heute in aller Schärfe. Stichworte sind: Mangel an Auszubildenden, Fachkräftemangel. Da könnten hunderttausende junger, beschäftigungssuchender Menschen gerade recht kommen.

Aber, so die oft gestellte Frage, müssen diese nicht erst noch mühsam und mit großen Kosten ausgebildet werden? Die Frage ist berechtigt. Nicht nur Ausbildungs- auch Schulstrukturen müssen angepasst und zum Teil neu geschaffen werden und das erfordert im Zweifel erhebliche Mittel. Aber sehen wir es so: Was kann ein Volk erwarten, das sich seit fast einem halben Jahrhundert nur noch zu zwei Dritteln in der Zahl seiner Kinder ersetzt und dadurch Investitionen in Billionenhöhe unterlassen hat? Will es weiter leben und wirtschaften, muss es die Investitionen, die lange Zeit nicht getätigt worden sind, irgendwann nachholen? Und diese Zeit ist jetzt!

3.    Das 21. Jahrhundert wird - unabhängig von Asylsuchenden und sonstigen Flüchtlingen - ein Jahrhundert der Massenmigration werden und Gewinner werden diejenigen sein, die sich frühzeitig hierauf einstellen und Zuwanderung zu ihrem Vorteil zu nutzen wissen. Was sind die Gründe für diese Einschätzung?

An erster Stelle ist zu nennen die vorerst weiter anhaltende Zunahme der Bevölkerungsmenge z.B. in Afrika. 1970 lebten hier 520 Millionen Menschen. Heute sind es 1,3 Milliarden, also weit mehr als doppelt so viele. Gegen Ende dieses Jahrhunderts dürften es 4,3 Milliarden sein. Das entspricht einer Verachtfachung der Bevölkerungszahl innerhalb von 130 Jahren. Eine vergleichbare Entwicklung hat es in der bisherigen Menschheitsgeschichte noch nie gegeben. Und Afrika steht nicht allein. Ähnlich sind die Trends im Nahen und Mittleren Osten, in Iran, Irak, Palästina, Afghanistan oder Pakistan.

Was heißt das für die von der Natur begünstigten Regionen dieser Welt, besonders wenn dort - wie derzeit in Deutschland und Europa - zugleich die Bevölkerungszahlen abnehmen? Diese Frage ist rhetorisch, weil die Antwort auf der Hand liegt. Auf Deutschland und Europa wird in der vorhersehbaren Zukunft ein hoher Einwanderungsdruck lasten, dem auf Dauer weder durch Stacheldrahtzäune noch militärische Mittel begegnet werden kann. Eine Festung Europa kann und wird es nicht geben und zwar zum einen weil viele Europäer diese gar nicht wollen, und zum anderen weil sie wirklichkeitsfremd ist.

Die Folge: Die Schicksale von Völkern vermengen und verflechten sich in einer noch nie dagewesenen Intensität. In Europa sind wir gerade dabei, dies mühsam zu erlernen. Die Lektion für die Welt steht noch aus. Doch soviel dürfte schon heute gewiss sein: Allzu sehr auf eine polnische, ungarische oder tschechische Identität zu pochen, ist zunehmend anachronistisch. Und das Gleiche gilt - allenfalls ein wenig zeitversetzt - für Länder wie Frankreich, Großbritannien und selbstverständlich auch Deutschland.

Dass wir - die Völker der früh industrialisierten Länder - uns dabei besonders schwertun, darf nicht verwundern. Denn wir waren und sind es, die vom Status quo besonders profitiert haben. Wir nutzten und nutzen die Rohstofflager der Welt weitgehend ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse anderer und erfreuen uns billiger Rohstoffe und Nahrungsmittel. Durch billige Halbfertigprodukte, die zumeist aus weniger entwickelten Volkswirtschaften importiert werden, haben wir die Kosten unserer industriellen Produktion kräftig gesenkt. Und billigste Arbeitskräfte, die sich für einen Lohn verdingen, der nur einen Bruchteil eines deutschen Mindestlohnes ausmacht, haben dazu beigetragen, unseren materiellen Wohlstand auf historisch beispiellose Höhen zu heben. Da fällt es schwer, sich wieder zu bescheiden und mit den Armen dieser Welt zu teilen.

Doch je länger je mehr werden wir auf den nackten Boden der Tatsachen geholt werden. Die Zuwanderung wird uns unsere demografische Zerbrechlichkeit vor Augen führen und uns zeigen, wie wir gealtert und zum Teil auch starr geworden sind. Sie wird - willentlich oder unwillentlich - dieser Gesellschaft bewusst machen, wie sehr sie existenziell von anderen abhängig und auf sie angewiesen ist. Und alle diese Lektionen werden - auch wenn sie vielleicht schmerzhaft sind - schlussendlich gut für sie sein. Und je früher sie erteilt werden, desto besser. Für Deutschland könnte es sich als Glücksfall erweisen, dass es sich bislang im Gegensatz zu einigen seiner Nachbarn - diesen Lektionen nicht gänzlich verweigert hat. Welchen Gewinn sie aus ihnen ziehen wird, wird die Zukunft erweisen.

Neben diesen beiden elementaren Kräften, die unsere Gesellschaft und ihre Strukturen auf geraume Zeit verändern werden: die demografische Veränderung des Bevölkerungsgefüges und zwar sowohl quantitativ als auch qualitativ - der zahlenmäßige Rückgang und die Alterung der Bevölkerung werden verlangsamt - sowie die im 21. Jahrhundert so oder so anstehende Verflechtung mit anderen Ethnien und Kulturen - entweder gesteuert oder chaotisch - wiegen darüber hinaus gehende Veränderungen vergleichsweise gering.

Was heißt das für die künftige Entwicklung: Ich sehe drei Szenarien und als ein viertes die Verbindung dieser drei. Diese Szenarien sind recht unterschiedlich. Doch im entscheidenden Punkt sind sie alle gleich: Deutschland und weite Teile Europas werden sich binnen einer Generation, demografie- und das heißt nicht zuletzt zuwanderungsbedingt nachhaltig verändern.

Das erste Szenario. Für eine gewisse Zeit läuft alles weiter wie bisher, d.h. jährlich kommen einige hunderttausend Menschen zumeist nach dem Zufallsprinzip nach Deutschland und Europa, wo sie mehr oder weniger erfolgreich integriert werden. Ihre Zahl ist jedoch nicht groß genug, um den Schrumpfungs- und Alterungsprozess von Deutschen und Europäern aufzuhalten oder auch nur spürbar zu verlangsamen. Um dennoch einen wirtschaftlichen und kulturellen Niedergang zu vermeiden, unternehmen die schrumpfenden und alternden Bevölkerungen (vielleicht) größte Anstrengungen, um mit den technischen und gegebenenfalls kulturellen Entwicklungen auf der Welt Schritt zu halten. Trotzdem werden sie marginalisiert.

Allerdings ist dieses Szenario nicht sehr wahrscheinlich. Denn während Deutsche und Europäer sich auf dem demografischen Rückzug befinden, bersten die Bevölkerungszahlen in weiten Teilen der Welt, namentlich in Afrika. Und noch immer sind die Europäer vergleichsweise wohlhabend, während die Menschen anderer Regionen noch immer arm sind und möglicherweise sogar um ihr Überleben kämpfen. Was liegt da für sie näher, als nach Europa aufzubrechen? Da können die Europäer noch so sehr ihre Außengrenzen zu schützen versuchen. Setzen sich erst einmal Völker in Bewegung, schützen kein Zaun und keine Militäraktion. Wer Mittel wie diese propagiert, kennt weder die Geschichte noch die Entschlossenheit darbender Menschen.

Das zweite Szenario ist eine weit vorausschauende Zuwanderungs-politik, die es ermöglicht, in einigermaßen geordneten Bahnen das ablaufen zu lassen, was - ein wenig zeitversetzt - ohnehin dann aber umso chaotischer ablaufen wird. Eine vorausschauende Zuwan-derungspolitik eröffnet zumindest die Chance, die Völker Europas ein wenig zu stabilisieren und sie gegen Außendruck zu festigen. Allerdings wird es mit einigen hunderttausend für Deutschland und wenigen Millionen für Europa nicht getan sein. Dazu ist der Erosionsprozess der Europäer zu weit fortgeschritten. Wollen sie in den Massenbewegungen der Zukunft bestehen, müssen sie sich bewusst und willentlich auf andere Kulturen, Religionen, Werte, Sitten und Gebräuche einlassen.

Bleibt drittens das Schwerste aber wohl auf Dauer Wirkungsvollste:

die Verwirklichung einer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, die in den Worten Ludwig Erhardts nicht länger danach strebt "mehr Güter, mehr materiellen Wohlstand zu erzeugen", sondern "unter Verzichtsleistung auf diesen 'Fortschritt' mehr Freizeit, mehr Besinnung, mehr Muße und mehr Erholung" oder kurz: eine menschengemäßere Gesellschaft zu gewinnen, eine Gesellschaft, in der sich auch Kinder und Alte, Tiere und Pflanzen wohlfühlen. Der Unterschied zu heute wäre beträchtlich und es ist keineswegs ausgemacht, ob die Europäer eine solche Neuorientierung physisch und psychisch verkraften.

Und schließlich - und das dürfte die wahrscheinlichste Entwicklung sein - verschmelzen alle drei Szenarien miteinander: Zuwanderer drängen nach Deutschland und Europa, Deutschland und Europa haben eine etwas strategischer angelegte Zuwanderungspolitik und sie haben begriffen, dass alles Wirtschaften zu nichts führt, wenn zugleich das demografische Fundament zerbröckelt. Das muss uns klar sein: Was heute oft als Zuwanderungskrise apostrophiert wird, ist zugleich auch eine europäische Krise. Sie zu bewältigen, ist unsere vordringlichste Aufgabe.