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Was kann für die gegenwärtige Zuwanderung nach Deutschland und Europa aus der Geschichte gelernt werden?

Massenhafte Zu- und Abwanderungen sind weder in der Geschichte Deutschlands noch Europas neu. Trotzdem stellen sie die Menschen immer wieder vor unbekannte Herausforderungen. Das gilt auch gegenwärtig wieder. Deshalb die Frage: Was kann für das derzeitige Geschehen aus der Geschichte gelernt werden? Diese Frage wurde am 3. Dezember 2015 in einer kleinen, sachkundigen Gesprächsrunde diskutiert. 

Wichtige Ergebnisse

  • Die Teilnehmer sind der Meinung, dass allenfalls Elemente früherer Wanderungen der gegenwärtigen Zuwanderung nach Deutschland und Europa  ähneln. So hätten beispielsweise auch Auswanderer im 19. Jahrhundert zu  positive Vorstellungen von dem gehabt, was sie im Zielland erwartet. Gewisse Parallelen bestünden ferner darin, dass es sich sowohl bei den deutschen Auswanderern als auch bei den heutigen Flüchtlingen aus Syrien um sogenannte Netzwerkmigration handelt. Auch könnten regionale Identitäten durch die gegenwärtige Zuwanderung ebenso geprägt werden  wie Brandenburg-Preußen durch die französischen Hugenotten, die Ende des 17. Jahrhunderts nach Brandenburg-Preußen kamen und neue Techniken und Fertigkeiten mitbrachten oder durch die sogenannten Ruhrpolen im Ruhrgebiet.
  • Einige Teilnehmer sind der Meinung, dass in der Vergangenheit die Integrationsanstrengungen vielfach ungenügend gewesen seien. Sie führen dies u.a. darauf zurück, dass Deutschland, aber auch Frankreich und Großbritannien sich nicht als Einwanderungsland verstehen wollten. Um dies zu ändern, seien häufig unrealistische Erwartungen über die Vorteile der Einwanderung, wie zusätzliches Wirtschaftswachstum oder die Lösung demographischer Probleme, geweckt worden. In Wirklichkeit habe die Zuwanderung jedoch nicht selten hohe Kosten, Arbeitsmarktprobleme und kulturelle Spannungen verursacht. Dies habe zu Enttäuschungen und Irritationen insbesondere bei der Aufnahmegesellschaft geführt. Vor allem in Frankreich habe die Integration in den Arbeitsmarkt, einem der wichtigsten Integrationsinstrumente in früh industrialisierten Ländern, nicht funktioniert. Ursächlich hierfür seien u.a. Bildungsdefizite und mangelnde Bildungsbereitschaft der Zuwanderer, hohe Arbeitslosigkeit sowie verkrustete Wirtschafts- und Arbeitsmarktstrukturen gewesen.
  • Das Szenario, was passiere, wenn die Wirtschaft nicht mehr wächst und folglich die Voraussetzungen für Integration nicht mehr gegeben seien, wird von den Teilnehmern für wenig wahrscheinlich gehalten. Bessere Chancen auf Konsum seien für die meisten Zuwanderer das Hauptmotiv, ihre Heimat zu verlassen und nach Europa zu kommen. Deshalb dürfte das Konsumstreben in westlichen Gesellschaften vorerst kaum nachlassen. Zudem wirke Konsum gemein-schaftsstiftend. Dem wird entgegnet, dass Zuwanderer für Nachhaltigkeits-strategien möglicherweise offener seien, da in ihren Heimatländern vielfach nachhaltigere Lebensweisen praktiziert würden. Andere Teilnehmer sind der Auffassung, dass zwar Integration durch günstige wirtschaftliche Bedingungen erleichtert würde, sie jedoch auch über kulturelle Faktoren bewerkstelligt werden könne.
  • Die meisten Teilnehmer sind der Auffassung, dass der Migrationsdruck zunächst zunehmen zumindest aber weiter anhalten wird. Dies habe zur Folge, dass sich die europäischen und anderen reichen Länder noch stärker abschotten werden. Darüber hinaus besteht mehrheitlich Konsens, dass die Kosten den materiellen Nutzen der Zuwanderung kurzfristig übersteigen werden. Langfristig dürfte die gegenwärtige Zuwanderung hingegen positive wirtschaftliche Effekte haben, vorausgesetzt die Zuwanderer werden in den Arbeitsmarkt integriert. Die langfristigen gesellschaftlichen und kulturellen Wirkungen werden von den Teilnehmern  überwiegend positiv eingeschätzt, nicht zuletzt da die Zuwanderung  eine längst fällige Debatte über die kulturelle Identität der Bevölkerung in Deutschland anstoßen dürfte.

Das ausführliche Protokoll kann hier heruntergeladen werden.