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Materielle Wohlstandsmehrung kann nicht länger Erfolgsmaßstab sein

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Stefanie Wahl vergrößern

Zwischenruf von Stefanie Wahl

Die Bundesregierung sollte Wachstum und materielle Wohlstandsmehrung nicht länger zum Maßstab ihres Erfolgs machen. Das heißt nicht, dass sie nicht alles tun sollte, um die Wachstumsgrundlagen wie Forschung und Entwicklung oder Bildung zu stärken. Aber sie sollte nicht den Eindruck erwecken, als könnte sie der Bevölkerung immerwährende materielle Wohlstandszuwächse bescheren. Denn diese Strategie war schon in der Vergangenheit abnehmend erfolgreich. Obwohl auch die vorangegangenen Bundesregierungen auf Wachstum setzten und sich hierfür kräftig verschuldeten, stagniert der materielle Wohlstand breiter Bevölkerungsschichten seit langem, bei Teilen sinkt er sogar.

Besonders ausgeprägt ist diese Entwicklung seit 1999. Während von 1999 bis 2007 das reale Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner um 1,5 Prozent jährlich zunahm, erhöhte sich das nach Bedarf gewichtete verfügbare Einkommen im Durchschnitt aller privaten Haushalte lediglich um 0,2 Prozent. Dabei verzeichneten nur die oberen 20 und hier insbesondere die obersten 10 Prozent der Bevölkerung nennenswerte Einkommenszuwächse. Die untere Hälfte erlitt hingegen durchgängig Einkommensverluste, im Durchschnitt 0,7 Prozent jährlich. Das Wachstum der Wirtschaft kam bei immer weniger Bürgern an.

Wachstum und materielle Wohlstandsmehrung zum obersten Ziel der Politik zu machen, ist mithin hoch riskant. Dies gilt künftig umso mehr, als das Wachstum aufgrund der beschlossenen Schuldenbremse nicht länger durch Kredite angekurbelt werden kann. Darüber hinaus wird die Bewältigung wachsender Ver- und Entsorgungsprobleme immer größere Teile des Erwirtschafteten absorbieren. Deshalb dürfte der materielle Wohlstand breiter Bevölkerungsschichten auf absehbare Zeit weiter sinken.

Bonn, 11. Februar 2010