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Helge Peukert

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Helge Peukert (geboren 1956) ist seit 2006 außerplanmäßiger Professor für Finanzwissenschaft und Finanzsoziologie an der Universität Erfurt. Er studierte Volkswirtschaftslehre, Soziologie, Sozialpsychologie und Philosophie an der Goethe-Universität in Frankfurt. Im Anschluss an seine Promotionen über den Ordoliberalen Wilhelm Röpke (1991) und „Lärm als soziale Kontrolle" (1994) sowie Forschungsaufenthalte in New York und Cambridge (Mass.) habilitierte er sich in Frankfurt am Main. Nach Professuren in Lettland und Chemnitz lehrt er seit 2002 an der Universität Erfurt. In seinem Buch "Die große Finanzmarkt- und Staatsschuldenkrise: Eine kritisch-heterodoxe Untersuchung" schlägt er einige radikale Geldordnungs- und Finanzmarktreformen vor.

Kurzstatement

Meine ehrliche Antwort auf die Fragen zu wahrscheinlichen Kausalitäts- und Wirkungsketten von Zins und Wachstum lautet daher: Ich weiß es nicht, v.a. auch deshalb, weil dies von der neuen institutionellen Architektonik der Arbeits-, Güter-, Geld- und Finanzmärkte abhängt. Ich bekenne mich also als Agnostiker. Fest steht allerdings jenseits basaler Zinstheorien, dass die Kapitaleinkommen längerfristig nicht mehr als das BIP steigen dürfen, ansonsten kommt es zu Blasenbildung oder es bleibt nur der Weg der Umverteilung nach oben. Welche Zinstheorie wir auch immer favorisieren, dem Ungleichgewicht lässt sich nur über dauerhafte Wegbesteuerung oder rasante Umschuldungen beikommen. Umgekehrt ausgedrückt können die Zinsen bei stagnierender Wirtschaft nur positiv bleiben, wenn bestimmte Machtverhältnisse dafür sorgen, dass Umverteilung stattfindet.

Ausgewählte Veröffentlichungen

Die große Finanzmarkt- und Staatsschuldenkrise : eine kritisch-heterodoxe Untersuchung, Metropolis, Marburg (2011)

Die Scheuklappen der Wirtschaftswissenschaft. Postautistische Ökonomik für eine pluralistische Wirtschaftslehre, Metropolis, Marburg (Hrsg. mit Thomas Dürmeier/Tanja von Egan-Krieger) (2006)

Werner Sombart: Nationalökonomie als Kapitalismustheorie: Ausgewählte Schriften, Marburg (Hrsg. mit Alexander Ebner) (2002)

The financial crisis: Origins and remedies in a critical institutionalist perspective,
in: Journal of Economic Issues, 44 (2010)

Ausgewählte Zitate

"Generell gilt: Eine auf Dauer stabile Staatsverschuldung ist nur dann gegeben, wenn der Realzins unter dem Realwachstum liegt. Deshalb fordert auch zurzeit der offizielle Politsektor unisono höhere Wachstumsraten als Kernelement der Lösung der Verschuldungskrise, ungeachtet aller täglichen ökologischen Warnsignale. Hinzu kommt, dass diese Strategie prinzipiell zum Scheitern verurteilt ist, da massiver Schuldenabbau nur durch eine Währungsreform, mehr oder minder geordnete Staatsbankrotte oder massive Inflation zu „lösen" ist. Da sich Staaten jedoch nur bis zu einer gewissen Grenze über Steuern finanzieren können (Steuerwiderstand usw.), bleibt im gegenwärtigen System nur die Verschuldung über Staatsanleihen. Frische Geldzufuhr erfolgt über Kreditfinanzierung und Verschuldung der Privatbanken bei der Zentralbank. Somit gilt: Die Struktur unserer Geldverfassung und Staatsfinanzierung sowie den steigenden Geldvermögen zwangsläufig gegenüberstehende höhere Schulden, die mit Zins zurückgezahlt werden müssen, erzwingen Wachstum, um diesen Kreislauf aufrecht erhalten zu können."
In: "Vollgeld als Reformschritt in die Postwachstumsgesellschaft", 2011