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Übersicht Referenten-Diskutanten

Richard Werner

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Richard Werner (geboren 1967) ist seit 2004 Lehrstuhlinhaber für Internationales Bankenwesen an der University of Southampton und hier Gründungsdirektor des Zentrums für Bankwesen, Finanzen und Nachhaltige Entwicklung. Außerdem ist er Gastprofessor für Monetäre Theorie und Politik an der Goethe Universität in Frankfurt am Main. Sein Studium der Volkswirtschaft an der London School of Economics sowie in Oxford und Tokyo schloss er 1989 ab. Anschließend promovierte er in Oxford über Geldwirtschaft und Bankenwesen in Japan. Danach war er Shimomura Fellow am Research Institute for Capital Formation der Japanischen Entwicklungsbank und forschte am Institut für Geld- und Wirtschaftsstudien der Japanischen Nationalbank sowie am Institut für Monetary and Fiscal Studies des Finanzministeriums in Tokyo. Ab 1997 lehrte er Entwicklungsökonomik, Internationale Wirtschaft und Geldwirtschaft an der Sophia Universität in Tokyo, wo er 2000 Assistenzprofessor wurde. Ferner war er mehrere Jahre unter anderem Berater für die Asiatische Entwicklungsbank sowie Mitglied der Forschungsgruppe Bankenreform der regierenden Liberaldemokratischen Partei in Japan. Seine Forschung konzentriert sich auf neue Paradigmen in der Makroökonomie sowie die Gründe, Konsequenzen und möglichen Lösungen globaler Finanzkrisen.

Kurzstatement

Volkswirtschaften ohne Wachstum sind nicht nur möglich, sondern ja seit langem die Realität. Wachstum ist eine statistische Illusion, die durch die gewählte Form der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung geschaffen wurde. Das BIP und das Konzept des 'Wachstums' sind sehr nützlich, um den Transfermechanismus des Zins-Systems zu rechtfertigen und zu ermöglichen - und damit das System der privaten Kreditschöpfung und privaten Kontrolle der Kreditvergabe.
Wie sich niedriges Wachstum auf die Kreditwirtschaft auswirkt ist schnell gesagt: Konsolidierung. Schrumpfung der Zahl der Banken. Steigende Konzentration im Banking. Konzentrierte Bankmacht über Ressourcen-Allokation, wobei meist die 'guten' Banken am gefährdetsten sind.
Aber dies ist vermeidbar, denn fallendes Wachstum ist kein Naturgesetz, sondern durch den Menschen geschaffen (genauso wie die Illusion des 'Wachstums', wenn wir eine 'Wachstumsphase' haben), nämlich durch die Geldpolitik der Zentralbanken. Die können auch jederzeit die Phase des 'Nullwachstums' (d.h. Nullwachstums des BIP) beenden, indem sie die Kreditschöpfung ankurbeln.
Leben ohne Zins ist möglich und sogar effizienter für alle. Es benötigt aber und ermöglicht ein anderes Geldsystem.

Ausgewählte Veröffentlichungen

Where does money come from? A guide to the UK monetary and banking system, New Economics Foundation, London (mit Josh Ryan-Collins/Tony Greenham/Andrew Jackson) (2011)

Neue Wirtschaftspolitik: Was Europa aus Japans Fehlern lernen kann, Verlag Vahlen, München (2007)

The relationship between interest rates and economic activity: How the conventional literature has dealt with the Japanese experience, in: J.A. Batten/T.A. Fetherston/P.G. Szilagyi (Hrsg.), Japanese Fixed Income Markets: Money, Bond and Interest Rate Derivatives, Elsevier, Amsterdam, S. 135-170. (2006)

Princes of the Yen: Japan's central bankers and the transformation of the economy, M.E. Sharpe, New York (2003)

Ausgewählte Zitate

"Finanzkrisen entstehen durch Spekulationskredite der Banken. Dies sind Kredite für Finanztransaktionen, aber auch Immobilientransaktionen, die nichts zum Bruttoinlandsprodukt beitragen, sondern Finanzblasen erzeugen, die nie nachhaltig sind, und - falls groß genug - quasi immer zu Bankkrisen führen. Man kann daher vorhersehen, welchen Ländern eine Banken- und Wirtschaftskrise blüht: denjenigen, bei denen das Kreditwachstum für längere Zeit deutlich schneller zulegte als das nominale BIP. Damit war seit Mitte der 2000er Jahre klar, dass es in Spanien, Irland, Portugal, Island und Griechenland zu Krisen kommen würde. Ein Blick in die Daten hätte genügt, um das entstehende Problem zu erkennen [...]."
In: Eine "To-Do-Liste" für die EZB zur Lösung der Krise", Reuters, 20. Juli 2012

"[...] central banks only create 3% of the money supply. Normally, 97% is created by banks through their extension of bank credit. If you wonder how this works: banks simply pretend that borrowers have deposited the money that they lend them, and thus create it out of nothing when they credit their deposit accounts, adding to the money supply. The central banks' focus on entrusting banks to expand the money supply is standard practice. But it hardly makes sense at a time when the very problem is stagnating bank credit. And longer term, we need to challenge the virtual monopoly we have allowed the private sector banks to exercise over the creation of credit."
In: The best use of £50bn QE? Bypass the banks and go direct to green projects, The Guardian Online, 10. Februar 2012

"Die Banken haben das Privileg, über die Kreditvergabe Geld zu schöpfen. Sie dürfen Geld neu schaffen und entscheiden, wer wie viel für welche Zwecke bekommt. Banken sind jedoch in Privatbesitz und wollen Gewinne maximieren. Sie müssen nicht nachdenken, ob ihr Handeln für die Gesamtwirtschaft gut ist. [...] Dass die Banken Profite machen wollen, ist ihnen ja auch nicht vorzuwerfen. Sie reagieren nur auf Anreize der Gesetzgebung. Das Problem dabei: Wenn private Banken Geld nach dem Gewinnmaximierungsprinzip schöpfen und verteilen, wird es oft für unproduktive und gar destruktive Zwecke eingesetzt. Ich denke an Kredite für Hedge-Fonds, die den Ölpreis in die Höhe treiben. Wenn Banken Kredite für spekulative Zwecke vergeben, führt das zu Blasen und Krisen. In den vergangenen 100 Jahren hatten wir schätzungsweise 200 Finanzkrisen. Allein in den vergangenen 40 Jahren waren es über 100. Kommt die Krise, fängt der Steuerzahler alles auf. Das ist ein untragbares System."
Interview: "Ein untragbares System"