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Langfristig steigende Lebensmittelpreise: Drohen soziale Spannungen?

Thesenpapier des Denkkreises „Lebens-Mittel" im Denkwerk Zukunft - Stiftung kulturelle Erneuerung

Bonn, 9. Juli 2009

Künftig drohen infolge spürbar steigender Lebensmittelpreise nicht nur in Entwicklungsländern, sondern auch in Deutschland und anderen westlichen Industrieländern soziale Spannungen. Veränderte Ernährungsgewohnheiten könnten das absehbare Konfliktpotential verringern.

BONN - Noch liegen die Preise für Lebensmittel - wie das Statistische Bundesamt heute bei der Vorstellung des Verbraucherpreisindex für Juni mitteilte - unter dem Vorjahresniveau. Ursächlich hierfür sind die durch die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise ausgelösten Einbrüche an den Weltrohstoffmärkten. Sobald aber die Weltwirtschaft wieder Tritt fasst, werden Lebensmittel wieder teurer werden. Langfristig ist infolge globaler Verknappungen und steigender Produktionskosten sogar von deutlich steigenden Lebensmittelpreisen auszugehen. „Insbesondere dürfte dies für Deutschland gelten" so Martin Schulte, Wissenschaftler im Denkwerk Zukunft. „Hier haben Einzelhandel und Industrie mögliche Preissenkungspotentiale bereits wesentlich stärker ausgeschöpft als in anderen westlichen Industrieländern."

Da zudem die Haushaltseinkommen breiter Bevölkerungsschichten künftig stagnieren oder sogar sinken dürften, werden immer mehr Menschen entweder weniger Lebensmittel bzw. vermehrt günstigere Lebensmittel kaufen und/oder wieder einen höheren Anteil ihrer Haushaltseinkommen für diese aufwenden müssen. „Das aber heißt", so Martin Schulte weiter, „dass viele Bürger häufiger auf andere lieb gewonnene Konsumgüter und Dienstleistungen wie Urlaubsreisen, Unterhaltungselektronik oder schöne Autos verzichten müssen."  

Vor allem gilt dies für die Bezieher geringer und mittlerer Einkommen. Diese sind vom Anstieg der Lebensmittelpreise besonders betroffen. In Deutschland geben schon heute die Haushalte des unteren Einkommensfünftels bezogen auf ihre gesamten Konsumausgaben annährend doppelt so viel für Lebensmittel aus wie die Haushalte des oberen Einkommensfünftels. Vor 20 Jahren war es erst das 1,5-fache gewesen. Bei den Haushalten des mittleren Einkommensfünftels stieg die Relation im gleichen Zeitraum vom 1,3-fachen auf das 1,6-fache. Diese Entwicklung dürfte sich künftig fortsetzen.

Geringere und ungleichere Konsummöglichkeiten - insbesondere auch als Folge steigender Lebensmittelpreise - werden bei Beibehaltung tradierter Sicht- und Verhaltensweisen zu wachsender gesellschaftlicher Unzufriedenheit führen. Gerade im Bereich von Essen und Trinken reagieren viele Menschen auf Einschränkungen und Ungleichheiten besonders sensibel. Dazu Stefanie Wahl, Geschäftsführerin des Denkwerks Zukunft: „Soziale Spannungen und Konflikte werden insbesondere dann zunehmen, wenn die einkommensstarken gesellschaftlichen Leitmilieus noch stärker als bisher materiell aufwändige Lebensstile vorleben, die für große Teile der Bevölkerung in immer weitere Ferne rücken."  

Die wirtschafts- und sozialpolitischen Gestaltungsspielräume Preisanstiege bei Lebensmitteln zu dämpfen bzw. sie durch Einkommenstransfers auszugleichen, sind nicht zuletzt aufgrund hoher Staatsschulden und steigender demographiebedingter Ausgaben begrenzt. Zudem ist fraglich, ob niedrigere Lebensmittelpreise im Sinne nachhaltiger Entwicklung und Ernährung grundsätzlich sinnvoll sind.

Deshalb sollte geprüft werden, ob die negativen Wirkungen steigender Lebensmittelpreise durch veränderte Ernähungsgewohnheiten und eine veränderte Esskultur verringert werden können. „Im besten Fall", so Stefanie Wahl, „könnte eine Stärkung der immateriellen Komponenten von Essen und Trinken wie gemeinsame Mahlzeiten, Kreativität beim Kochen, gesundheitsfördernde und ethische Ernährungsweisen sowie eine allgemein höhere Wertschätzung von Lebensmitteln sogar materielle Wohlstandsverluste in anderen Lebensbereichen verringern." Der Denkkreis Lebens-Mittel des Denkwerks Zukunft wird Vorschläge unterbreiten, wie dies geschehen kann. Die Ergebnisse werden in weiteren Thesenpapieren veröffentlicht.

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Zum Denkkreis „Lebens-Mittel"

Weitere Auskünfte erteilt:

Martin Schulte, Denkwerk Zukunft

Tel.: 0228 372044

E-Mail: martin.schulte@denkwerkzukunft.de

Internet: www.denkwerkzukunft.de