Zeit zu handeln


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Journalisten im Raumschiff

Zwischenruf von Ferdinand Knauß

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In diesen Tagen erscheint "Sklaven des Wachstums". Das Buch von Reiner Klingholz, dem Leiter des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung, ist eines von vielen, die das notwendige  Ende des Wirtschaftswachstums thematisieren. Auffallend ist, dass sie alle nicht von Journalisten stammen, sondern von Wissenschaftlern.

Wachstum als Ziel der Politik wird in den Berliner Redaktionen der Zeitungen und Sender kaum in Frage gestellt. Generell schreibt man da über solche Grundsatzfragen selten. Einerseits fehlt die Zeit. Die News-Ticker im Internet schlafen nie und machen Journalismus zum Stressberuf schlechthin.

Bei vielen Politikjournalisten fehlt außerdem die Distanz zu den Objekten ihrer Berichterstattung. Ebenso wie Politiker denken Journalisten heute vor allem über Machtoptionen nach - und schreiben eifrig die x-te Analyse über die Perspektiven eines schwarz-grünen Bündnisses. Das Ergebnis ähnelt oft dem Sport-Teil: Politik als großer Wettkampf.

Auch die Alpha-Journalisten, die Zeit und Möglichkeiten für ein Buchprojekt haben, schreiben lieber die vierte Merkel-Biographie. Die Jahre im Abglanz der Mächtigen und die vielen Hintergrundgespräche müssen schließlich dokumentiert werden. Das ist vielleicht „spannend", aber das eigentlich Politische, das Interesse am Gang der Welt, bleibt auf der Strecke.

Der Politikbetrieb wird manchmal etwas zugespitzt als "Raumschiff Berlin" bezeichnet, in dem die politische Klasse völlig losgelöst von der Lebenswirklichkeit der normalen Menschen regiert und debattiert. Doch zur Besatzung gehören auch zunehmend  viele Journalisten.

Ferdinand Knauß ist Redakteur der WirtschaftsWoche