Zeit zu handeln


Übersicht Zwischenruf

Hat die Flüchtlingskrise etwas mit unserer Fixierung auf Wirtschaftswachstum zu tun?

smallImage

 vergrößern

Verschiedene private Gespräche der letzten Tage drehten sich schnell um die Flüchtlingskrise im Mittelmeer. Ohnmacht, Betroffenheit, Hilflosigkeit kommen auf - und eine vage Vorahnung auf mögliche Fluchtbewegungen aufgrund des Klimawandels.

Unsere Gespräche kamen meist über die Ursachensuche bei den Schlepperbanden und kriegerischen Auseinandersetzungen nicht hinaus. Dabei muss man nicht weit suchen, um auch hier Auswirkungen unseres Wachstumsmodells und der Fixierung darauf zu erkennen.

Europäische Länder sind wichtige Waffenexporteure (Deutschland an dritter Stelle weltweit) mit Absatzmärkten in den heutigen Krisengebieten. In Politik und Gesellschaft ist ein Verbot von Waffenexporten scheinbar nicht durchsetzbar. Arbeitsplätze und Wachstum stehen auf dem Spiel. Diese Argumente dürften z.B. 2009 bewirkt haben, dass die Schweizer Volksinitiative für ein Ausfuhrverbot von Kriegsmaterial von 68 Prozent der Stimmbürger/innen abgelehnt wurde.

Weiter: Ein Teil der Flüchtlinge kommt aus Ländern mit Unrechtsregimen und Diktaturen, die wir hätscheln, weil sie die Versorgung mit billigem Öl und Mineralien sichern. Europäische Multis mischen fleißig bei der dortigen Korruption mit und tragen dazu bei, die Strukturen und damit Unterdrückung und Armut zu stabilisieren.

Schließlich: Energiepreiserhöhungen, die die Abhängigkeit von solchen Ländern und Regimen reduzieren könnten, werden immer noch nicht erwogen, sie könnten ja das Wachstum abwürgen.

Die heutige Flüchtlingskrise hat auch mit unserem Wirtschaften und unserer Wachstumsfixierung zu tun.

PD Dr.Irmi Seidl ist Leiterin der Forschungseinheit Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL), Birmensdorf, Schweiz.