Zeit zu handeln


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Linsenmus

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Zwischenruf von Meinhard Miegel

Frieden, Freiheit, Demokratie – das waren nach zwei mörderischen Kriegen und Diktaturen in zahlreichen europäischen Ländern die Sehnsuchtsziele derer, die die Möglichkeit hatten, ihren Willen zu bekunden. Der Erfolg dieses Wollens war überwältigend. Und wo Frieden und Freiheit herrschen, gedeiht auch der Wohlstand. Die Wohlstandsmehrung in der Frühphase der Europäischen Einigung war historisch beispiellos.

Damit war allerdings auch das Fundament für eine verhängnisvolle Entwicklung gelegt. Frieden, Freiheit und Demokratie wurden zunehmend zu kaum noch beachteten Selbstverständlichkeiten. Umso mehr zählte die Wohlstandsmehrung. Für sie war kein Preis zu hoch. Die exorbitante Verschuldung vieler europäischer Gemeinwesen ist trauriger Beleg für dieses Denken und Handeln.

Gebracht hat das wenig. Im Gegenteil. Diejenigen, die sich am meisten verschuldeten, hatten auf Dauer die niedrigsten Wachstums- und höchsten Arbeitslosenraten. Das Fatale: Nationales Versagen wurde und wird einem Europa angelastet, dessen Mission eine andere ist, eine andere sein muss, als ein großes BIP zu erwirtschaften.

Solange die Europäer ihre Zukunft von der bloßen Mehrung materiellen Wohlstands abhängig machen, stehen sie in der Gefahr, Frieden, Freiheit und Demokratie für ein Linsenmus zu verscherbeln. Sie müssen wieder lernen, Prioritäten zu setzen. Materieller Wohlstand ist ein hohes Gut. Aber er zerfällt zu Asche, wenn Frieden, Freiheit und Demokratie nicht länger gewährleistet sind. Sie haben zusammen mit dem Erhalt unserer Lebensgrundlagen Vorrang.

Professor Dr. Meinhard Miegel, Vorstandsvorsitzender Denkwerk Zukunft - Stiftung Kulturelle Erneuerung