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Erreichung des Klimaziels bis 2020 möglich

Seit 2007 verfolgt die Bundesregierung das Ziel, dass in Deutschland bis 2020 vierzig Prozent weniger Treibhausgase ausgestoßen werden als 1990. Wird dieses Ziel verfehlt, erschwert dies nicht nur das Erreichen der Zielmarke von minus 80 bis 95 Prozent bis 2050, sondern erschüttert eu- und weltweit auch Deutschlands Glaubwürdigkeit als Klimavorreiter.

Wie groß ist die Lücke wirklich?

Aktuellen Prognosen der Bundesregierung zufolge wird Deutschland mit den bisher beschlossenen Maßnahmen das 2020-Ziel nicht erreichen. Denn bis 2013 wurden die Treibhausgasemissionen lediglich um 23,8 Prozent gegenüber 1990 verringert. Dabei waren die Emissionen 2011 bereits um 25,6 Prozent gesunken. Ursächlich für den Wiederanstieg ist neben witterungsbedingt erhöhtem Heizbedarf die gestiegene Stromerzeugung aus Stein- und Braunkohle. Diese ist zu einem erheblichen Teil darauf zurückzuführen, dass CO2-intensive Energieträger wie Kohle besonders billig sind, da der Preis der CO2-Zertifikate des EU-Emissionshandelssystems (EU-ETS) bisher nicht die erwartete Lenkungswirkung entfaltete. Bis 2020 sollen die Treibhausgasemissionen auf 33 bis 34 Prozent sinken.[1] Daraus ergibt sich eine Lücke von 74 bis 86 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente (Schaubild 1).

Schaubild 1:
Entwicklung der Treibhausgasemissionen in Deutschland nach Sektoren 1990-2020

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Quelle: UBA (2014), Aktionsprogramm Klimaschutz, Entwurf vom 12.11.2014 

Nach Aussagen von WWF und German Watch beruhen die Prognosen der Bundesregierung allerdings auf wirklichkeitsfremden Annahmen. So unterstellte diese nicht nur einen unrealistisch hohen Emissionszertifikatepreis von zwanzig Euro/Tonne CO2 - derzeit liegt er bei rund sieben Euro/Tonne CO2[2] - sondern auch, dass bestehende Braun- und Steinkohlekraftwerke nach einer Lebensdauer von 45 Jahren automatisch stillgelegt würden. Derzeit sind jedoch über zwanzig Kohlekraftwerke mit mehr als 45 Betriebsjahren an der Stromerzeugung beteiligt.[3] WWF und German Watch gehen deshalb davon aus, dass die bis 2020 zu schließende Lücke bis zu 200 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente beträgt.[4] Sie sollte nach German Watch/WWF zur Hälfte durch Maßnahmen im Bereich der Stromerzeugung geschlossen werden.[5]

Kohleverstromung besonders CO2-intensiv

Allgemein besteht Konsens, dass zur Senkung der Treibhausemissionen zusätzliche Maßnahmen notwendig sind und dabei der Stromsektor einen wichtigen Beitrag leisten muss. Um hier eine Trendwende herbeizuführen, müsste entweder der Preis für CO2-Zertifikate des EU-Emissionsrechtehandelssystems drastisch erhöht, der Stromverbrauch gesenkt oder eine erhebliche Zahl zusätzlicher Kohlekraftwerke stillgelegt werden. Da die beiden ersten Maßnahmen kurzfristig nicht greifen, bleibt nur die Stilllegung von Kohlekraftwerken.

Tabelle:
Emissionen ausgewählter Treibhausgase nach Quellkategorien 1990-2020

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*) Prognose UBA
Quelle: German Watch/WWF (2014), Klima oder Kohle? Reduktion des Kohlestroms zur Erreichung des deutschen 40%-Klimaziels bis 2020 

2013 wurden bei der Stromerzeugung 317 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen. 85 Prozent dieser Emissionen entstanden in Braun- und Steinkohlekraftwerken, die 46 Prozent des Stroms erzeugten. Diese Kohlekraftwerke sind zum Teil sehr alt - mehr als die Hälfte aller Steinkohlekraftwerke sind älter als 30 Jahre. Auch eine Reihe von Braunkohlekraftwerken stammt aus den späten 1970er und 1980er Jahren. Darüber hinaus sind Kohlekraftwerke besonders CO2-intensiv (Schaubild 2). Zudem weisen sie gegenüber Gaskraftwerken einen geringeren Wirkungsgrad auf (Schaubild 3).

Schaubild 2:
Durchschnittliche spezifische CO2-Emissionen der Kraftwerke der allgemeinen Versorgung 1991-2013

in g CO2/kWh (netto)

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Quelle: BDEW (2014), Entwicklungen in der deutschen Strom- und Gaswirtschaft 2013, S. 18 

Schaubild 3:
Durchschnittlicher elektrischer Wirkungsgrad (netto) der Kraftwerke der allgemeinen Versorgung 1991-2013

(netto) in Prozent

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Quelle: BDEW (2014), Entwicklungen in der deutschen Strom- und Gaswirtschaft 2013, S. 17

Argumente gegen Stilllegung von Kohlekraftwerken stechen nicht

Bundesminister Gabriel lehnte bisher Stilllegungen von Kohlekraftwerken mit dem Argument ab, man könne nicht zeitgleich aus der Atomenergie und der Kohleverstromung aussteigen. Die Folgen seien explodierende Stromkosten, Versorgungsunsicherheit und die Abwanderung großer Teile der Industrie.[6] Tatsächlich bestehen aber derzeit bei der deutschen Stromversorgung Überkapazitäten. Ursächlich hierfür sind der hohe Bestandteil an fossil betriebenen Kraftwerken und die starke Zunahme Erneuerbarer Energien, was wiederum zu niedrigen Großhandelspreisen für Strom führt. Für Überkapazitäten spricht auch, dass 2013 über fünf Prozent des in Deutschland erzeugten Stroms exportiert wurde.[7] Deshalb könnten Experten zufolge trotz des Atomausstiegs bis zum Jahr 2022 Kohlekraftwerke vom Netz genommen werden, ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden.[8] Dabei sollte allerdings auf regionale Ausgewogenheit geachtet werden.[9]

Zu einer Explosion der Stromkosten dürfte es ebenfalls nicht kommen. Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) würde sich bei einer Verringerung der Kohlekraftwerkkapazitäten von zwischen drei und 13 Gigawatt zwar der Großhandelspreis für Strom erhöhen. Dadurch würden jedoch Gaskraftwerke wirtschaftlicher. Zudem würde die EEG-Umlage, die sich aus der Differenz zwischen der Vergütung des aus Erneuerbaren Energien erzeugten Stroms und dem Großhandelspreis für Strom errechnet, sinken.

Deshalb gab der Bundeswirtschaftsminister seine Vorbehalte gegen die Stilllegung von Kohlekraftwerken auf. Allerdings plant die Bundesregierung keine Zwangsabschaltungen. Stattdessen will sie den Kraftwerksbetreibern ein Einsparziel von mindestens 22 Millionen Tonnen CO2 bis 2020 gesetzlich vorgeben und damit die Stilllegung indirekt erreichen. Die Betreiber können selbst entscheiden, welche Anlagen stillgelegt werden. Ob die Einsparung von 22 Millionen Tonnen CO2 ausreicht, um die Zielmarke von minus 40 Prozent bis 2020 zu schaffen, muss jedoch bezweifelt werden.

(Stand November 2014, Stefanie Wahl)

[1] Vgl. Umweltbundesamt (UBA) (2014), Aktionsprogramm Klimaschutz, Entwurf vom 12.11.2014, S. 7.

[2] Vgl. boerse.de (2014), "CO2-Emissionsrechte".

[3] Vgl. German Watch/WWF (2014), Klima oder Kohle, Reduktion des Kohlestroms zur Erreichung des deutschen 40%-Klimaschutz-Ziels bis 2020, S. 4. 

[4] Vgl. a.a.O.

[5] Vgl. a.a.O., S. 4.

[6] Vgl. EurActiv.de (2014), Gabriel setzt weiter auf Kohlestrom, 11.11.2014.

[7] Vgl. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) (2014), Verminderte Kohleverstromung könnte zeitnah einen relevanten Beitrag zum deutschen Klimaschutzziel leisen, DIW-Wochenbereicht 47, S. 1219.

[8] Vgl. Claudia Kemfert (2014), "Wir können auf alte und ineffiziente Kohlekraftwerke verzichten", in: DIW-Wochenbericht 47, S. 1230.

[9] Vgl. a.a.O.