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Wachstumzwang in der Geldwirtschaft?
Theoretische Erwägungen

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Wichtige Ergebnisse:

  • In den Wirtschaftswissenschaften besteht Konsens, dass sinkende Wachstumsraten aus sozio-ökonomischen Gründen unerwünscht sind. Zugleich deuten jedoch immer mehr Forschungsergebnisse darauf hin, dass Wachstum nicht zuletzt aus ökologischen Gründen an Grenzen stößt und mit seinem Rückgang gerechnet werden muss. Das aber heißt, dass künftig auch die Zinsen sinken müssen, es sei denn, es werden steigende öffentliche Schulden oder wachsende soziale Ungleichheit in Kauf genommen.
  • Für die historische Entstehung von Geld und Zins gibt es keine allgemein akzeptierte Theorie. Wahr­scheinlich ist, dass Geld und Zins in einem komplexen Prozess gemeinsam ent­standen sind und nicht etwa einem "neutralen" Geldsystem ein "Zinssystem" nachträglich hinzu­gefügt worden ist.
  • Lebenswirklichkeit und theoretische Erwägungen sprechen dafür, dass Sparentscheidungen maßgeblich von der Höhe des Einkommens und nicht von der Zinshöhe abhängen. Hohe Einkommen werden nur teilweise konsumiert, was die Gesamtnachfrage schmälert und Kapazitäten einschließlich der des Arbeitsmarktes unausgelastet bleiben lässt. Die Einkommensabhängigkeit des Sparens und die Liquiditätspräferenz scheinen deshalb geeignet, das Zinsniveau und die Unterauslastung der Wirtschaft zu erklären.
  • Zinsen als solche erzeugen keinen unmittelbaren Wachstumszwang. Vielmehr entsteht dieser erst durch den unvollständigen Konsum von Zinseinkommen. Werden diese hingegen unmittelbar und vollständig konsumiert, kann eine "stabile Umverteilungswirtschaft" zugunsten der Kapitaleigentümer entstehen, aus der kein Wachstum resultiert bzw. die kein Wachstum benötigt.
  • Werden (Kapital-)Einkommen nicht vollständig konsumiert, muss die Wirtschaft (mindestens) in Höhe der Zinsrate wachsen, wenn sozial unerwünschte Umverteilung und zunehmende Einkommens­spreizungen vermieden werden sollen. Der Zwang zu Wirtschaftswachstum ist mithin keine unmittelbare Folge der Geldschöpfung. Vielmehr resultiert er aus einem einkommensabhängigen Sparverhalten in Kombination mit einer Liquiditätsprämie des Geldes.
  • Die Goldene Regel der Kapitalakkumulation besagt, dass die Zinsrate nicht die Höhe der Wachstumsrate übersteigen darf und bei Nullwachstum entsprechend auf Null fallen muss, um die Konsumquote zu maximieren. Dem steht allerdings die Liquiditätsprämie des Geldes entgegen, die ein beliebiges Sinken des Zinssatzes verhindert.
  • Die Analyse der Dynamik von Zinsrate, Wachstumsrate und Staatsverschuldung zeigt, dass aus Sicht des öffentlichen Budgets ein positives Zins-Wachstumsdifferential problematisch ist. Eine Entschuldung ohne negative Effekte für den Gesamtkreislauf ist kaum möglich.
  • Um zu vermeiden, dass durch zu viel Liquidität Zweifel am Wert einer Währung entstehen, muss die Zentralbank versuchen, selbst dann einen positiven Zinssatz aufrecht zu erhalten, wenn das Wachstum bei Null liegt (Zentralbankdilemma).
  • Im Zuge der andauernden Finanz- und Währungskrisen, denen mit herkömmlichen Maßnahmen bislang nicht beizukommen ist, stehen vermehrt alternative Lösungsvorschläge zur Beseitigung des positiven Zins-Wachstums­differentials zur Debatte. Alle Vorschläge benötigen jedoch noch weitere Diskussionen über ihre Funktionalität, Praktikabilität und gegenseitigen Wechselwirkungen. 

Memorandum "Wachstumszwang in der Geldwirtschaft?
Theoretische Erwägungen

Informationen zum Workshop "Zinssystem"