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Ehrgeiz, ein blinder Fleck im Postwachstumsdenken

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Zwischenruf von Ferdinand Knauß

Der Diskurs über das Ende des Wachstums blendet einen wichtigen Aspekt der conditio humana weitgehend aus: den Ehrgeiz des Menschen, seinen Willen zum Erfolg oder gar zur Macht.

Soziologen wissen aber mit Heinrich Popitz, dass es keine „machtsterilen Verhältnisse" gibt. Und das „Prinzip der abschaltenden Endhaltung" gilt zwar für das Verlangen nach Essen und Sex, aber nicht für den Gewinn von Status, wie uns der Ethnologe Wulf Schiefenhövel auf der 3. Konferenz des Denkwerks Zukunft im Dezember 2012 aufklärte.

Auch eine Postwachstumsgesellschaft ist also nicht realistisch vorstellbar, ohne diese allzu menschlichen Ambitionen, die bislang zum großen Teil durch die Möglichkeiten wirtschaftlicher Expansion kanalisiert werden. Die Gefahr ist, dass die Habgierigen, wenn keine Expansion der Güterproduktion mehr möglich ist, sich beim Nachbarn bedienen - wie Jahrtausendelang üblich.

Darum ist es von zentraler Bedeutung für den Postwachstumsdiskurs, die Wertschätzung nicht-materieller Güter und nicht-ökonomischer Leistungen als Wege zum Statusgewinn für die Ehrgeizigen zu propagieren. Also nicht so sehr vom Verzicht zu sprechen, sondern vom Gewinn, der auf anderen Feldern als der Wirtschaft winkt.

Keynes dachte schon 1930 ähnlich, als er in seinem berühmten Aufsatz „Die wirtschaftlichen Möglichkeiten unserer Enkel" schrieb, diese Enkel - also wir! - sollten vielleicht wieder lernen zu tanzen, statt weiter nach ökonomischer Effizienz zu streben.

Den Ehrgeiz der Menschen auf künstlerisches, geistiges, also „unproduktives" Schaffen zu lenken, erscheint den noch dominierenden Apologeten des Wachstums womöglich als das, was man in blutigeren Epochen „Wehrkraftzersetzung" nannte. Tatsächlich könnte es friedensstiftend sein.

Ferdinand Knauß ist Redakteur der WirtschaftsWoche