Erfüllter leben


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Beschleunigung und Entfremdung

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"Die rasante Beschleunigung des sozialen Lebens ist eines der hervorstechenden Merkmale der Gegenwart, wird in den Sozialwissenschaften aber häufig übersehen. Hartmut Rosa hat mit seinen maßgeblichen Untersuchungen diesbezüglich Grundlagenarbeit geleistet. In seinem neuen Essay legt er dar, wie eine kritische Gesellschaftstheorie verfasst sein muss, die den Zusammenhang von Beschleunigung und Entfremdung ernst nimmt.

Im Mittelpunkt steht die Frage nach dem guten Leben - und warum es uns heute vielfach nicht gelingt, ein solches zu führen. Immerhin sind durch die Liberalisierung moralischer Normen und sozialer Konventionen die in den westlichen Gesellschaften vorhandenen Freiräume des Einzelnen größer denn je, sich ein eigenes Konzept des guten Lebens zu wählen und zu verwirklichen. Dieser Liberalisierung steht jedoch die scheinbar unaufhaltsame Beschleunigung des sozialen Lebens im Kapitalismus gegenüber. Dieses Regime der Deadlines lässt Lebensentwürfe scheitern und führt zu einem sich immer stärker ausbreitenden Gefühl der Entfremdung.

Behutsam und anhand von konkreten Beispielen sucht Rosa nach Formen nichtentfremdeten Lebens. Sein pointierter Essay ist nicht nur eine konzise Einführung in die Theorie der Beschleunigung, sondern eröffnet auch erste Perspektiven, wie wir dem rasenden Stillstand entkommen können."

Rosa unterscheidet zwischen der technischen Beschleunigung - die bereits mit der Industrialisierung eingesetzt hat - der Beschleunigung des sozialen Wandels sowie der Beschleunigung des Lebenstempos. Die technische Beschleunigung im digitalen Sektor hat dabei direkte, paradoxe Auswirkungen auf das Lebenstempo. Obwohl technische Beschleunigung eigentlich für mehr Zeitwohlstand sorgen sollte, da sie für Zeitersparnis bei bestimmten Tätigkeiten sorgt, wird der Effekt ins Gegenteil verkehrt: Die Menschen leiden unter Zeitknappheit. Der Grund dafür liegt in der rasant wachsenden Zahl von Möglichkeiten und dem Wunsch der Menschen, ihr Leben auszukosten. Glücklich werden die Menschen allerdings nicht, da das Verhältnis der gemachten Erfahrungen zu denen, die verpasst werden, immer kleiner wird.

Quelle: Suhrkamp Verlag 

Rosa, Hartmut (2013), Beschleunigung und Entfremdung, Berlin, 154 S.