Erfüllter leben


Übersicht Leuchttürme

Bewegung in der Zeitschriftenlandschaft

Immer mehr Publikationen beschäftigen sich mit Wandel und Nachhaltigkeit. Am Kiosk gibt es neue Magazine für die stetig wachsende vegane Community – und Wissenschaftlich-Tiefgründiges als Beilage zu „Enorm“: Gut für den Bewusstseinswandel, wenn auch mit Abstrichen. 

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Der Frühling hat Einzug gehalten, und seit März finden sich im Zeitschriftenhandel zwei neue Magazine für alle, die sich vegan ernähren und den dazugehörigen Lifestyle schätzen. „Vegan Good Life“, gestaltet von einem Kommunikationsdesigner und einem ehemaligen Model, präsentiert sich als trendiges Lifestyle-Magazin. Es möchte belegen, „dass ein Leben mit Verantwortungsbewusstsein, ... mit Rücksichtnahme, ... mit Blick auf die Nachhaltigkeit des eigenen Tuns alles ist – nur kein Verzicht.“

„Vegan Good Life“ ist schön gestaltet, nur wirkt der journalistische Inhalt bisweilen etwas hausbacken oder angestrengt. Es fehlt ein bisschen der umschauende Charme – eine Eigenschaft, die es auch Nicht-Veganern erleichtert, in ein Universum einzutauchen, das dem ihren eventuell gar nicht so fremd ist: Lebensfroh spaziert „Vegan Good Life“ durch Barcelona, testet Münchner Restaurants, stellt vegane Rezepte, Mode und Accessoires vor oder präsentiert ein Künstlerportrait über Fotograf und Skateboard-Legende Ed Templeton und seine Frau Deanna (die selbstredend Veganer sind). Das ist alles ansprechend, doch mit etwas mehr Tiefe (z.B. zu den interessanten veganen HipHop-Altstars des Wu Tang Clan) wäre auch journalistisch mehr herauszuholen gewesen. Bemerkenswert, weil direkter und lockerer, wirkt der Blog „Times They Changin’“, den die beiden Herausgeber betreiben: Da kommt ein veganer Bewusstseinswandel so easy daher, dass man sich fragen könnte: Warum eigentlich nicht?

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Schon in der zweiten Ausgabe auf dem Markt ist das „Vegan Magazin“, eine Publikation der Veganen Gesellschaft Deutschland. In der aktuellen Ausgabe (April/Mai) findet sich auch hier vegan Passendes aus den Bereichen Style, Reise, Musik, Mode oder Wohnen, aber auch manche Abhandlung, die wie ein radikales Bekehrungsplädoyer wirkt. Artikel wie der über den Fotoband „Atmen ohne Pause“ allerdings, der Schweine im Leben und in der Schlachterei begleitet, legen auf schlichte Art von einem absurden und grausamen System der Fleischproduktion Zeugnis ab, das in Mainstream-Medien selten thematisiert wird. Nicht nur Tierfreunde werden sich danach Gedanken machen.  

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"Noveaux“ ist die zweite Neuerscheinung des Frühlings - ein Wortspiel mit veganem Hintergrund, denn „veaux“ sind auf Französisch die Kälber. Das Magazin für „faire Fashionistas“ präsentiert jedoch nicht nur vegane Mode, sondern wie die Kollegen ebenfalls Diverses zu Städten, Restaurants, dazu Beauty- und Weintipps sowie ein bisschen Nachdenkliches – z.B. ob Veganer eine Parallelgesellschaft sind oder was ein Soziologe der Hamburger Universität über Veganer denkt. Alles in allem wirkt „Noveaux“ durchaus so locker, wie es sich die Gründerin in ihrem Editorial wünscht: „Und weil uns das Ganze so viel Spaß macht, nehmen wir uns selbst auch nicht ganz so ernst.“ Ein interessanter Anfang, auch für Nicht-Veganer.

Manchmal wirken die Magazine noch ein wenig so, als müssten sie der veganen Community versichern, dass das, was sie tut, gut und schön und das wirklich Wahre ist. Wie der Hamburger Soziologe Jonas Grauel in „Noveaux“ bemerkt, dürfe sich die Community nicht abschotten, wenn sie ihre „wichtigen Anliegen in die öffentliche Debatte einbringen“ will – der alte Spagat zwischen Subkultur und Mainstream, der gelingen muss, soll eine neue Denk- und Lebensweise die gebührende Akzeptanz finden. Allen Vegan-Magazinen gemein ist auch, dass sie aufgrund ihrer Zielsetzung manchmal über Themen aus Kultur und Alltag berichten, die man im Nachrichten- und Lifestyle-Mainstream selten(er) zu lesen bekommt. Dasselbe gilt für Menschen und ihre Lebensentwürfe. Davon hätte man gerne mehr, denn solche Informationen tragen zur Meinungsbildung in Sachen Bewusstsein auch bei jenen bei, die nicht zur veganen Community gehören: Sonst laufen die Blätter Gefahr, früher oder später beim reinen Lifestyle-Magazin zu enden – auch wenn der Lifestyle vegan und nachhaltig ist und letztlich einen Paradigmenwechsel bedeutet. 

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 „Movum – Briefe zur Transformation“ nennt sich die Beilage zum Wirtschafts- und Nachhaltigkeitsmagazin „enorm“, die inzwischen zum vierten Mal erschienen ist. Gefördert vom Umweltbundesamt versteht sich „Movum“ als Wegweiser, „um aus der ökologischen Sicht gesellschaftspolitische Zusammenhänge deutlich zu machen und die Perspektive einer sozialökologischen Transformation aufzuzeigen.“ Das mag etwas kopflastig klingen, aber „Movum“ präsentiert eine klare, übersichtliche Gestaltung sowie fokussierte Berichte und Meinungen – egal ob zum Einfluss des Menschen auf die Entwicklung der Erde, zu neuen Wirtschaftsarten, FabLabs oder Kunst als Hinterfragung althergebrachter Denkweisen: Nichts ganz Neues, aber eben effektiv und klar dargelegt. „Movum“ ist eine Gemeinschaftsinitiative der fünf Umweltorganisationen BUND, Deutsche Umweltstiftung, EuroNatur, Forum ökologisch-soziale Markwirtschaft und NaturFreunde. Neben Autoren der einzelnen Verbände schreiben auch Nobelpreisträger wie Paul Crutzen für das Print- und Onlineblatt. Ausdrücklich gewünscht sind Feedback und Diskussion mit den Lesern: „Wir suchen mutige Konzepte, die den Herausforderungen – Armut und Ungleichheit, Klimaänderungen, Verknappung von Energie, Wasser und biologischer Vielfalt – mit einer ganzheitlichen Vision des humanen Fortschritts begegnen. Wir ... müssen politisch werden... Wir bitten die Leserinnen und Leser, sich an unserem Diskurs zu beteiligen.“ Jeder, der mag, kann sich einloggen und einbringen.

Auch in den Medien spiegelt sich, dass sich weltweit immer mehr Menschen quer durch alle Gesellschaftsschichten und fast alle politischen Lager für mehr Bewusstsein, Nachhaltigkeit, Naturschutz oder soziale Gerechtigkeit einsetzen; gleichzeitig sind jedoch nicht wenige global players oder die Finanzwelt nach wie vor kaum geneigt, Veränderungen vorzunehmen. Vor diesem Hintergrund wäre bei jenen Medien, die sich um eine neue Weltsicht und humanen Fortschritt bemühen, so viel common sense und gegenseitige Akzeptanz wie möglich angesagt. „Die Politik agiert kaum, sie reagiert. Die Veränderung muss von den Menschen kommen“, wie Alois Glück, Vorsitzender des Rats für Nachhaltigkeit, sagt. Wer da nur sein eigenes Süppchen kocht, und sei es noch so gut gemeint, dient der Sache nur bedingt.

 

 Websites:     www.vegan-good-life.com

                   www.timestheychangin.com

                   www.ethiconomy.org

                   www.noveaux-mag.com

                   www.movum.info

 

(Nikolaus Wiesner, April 2015)