Erfüllter leben


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Commons - Hartz-IV Möbel und Open Goldberg Variations

Der Begriff der Gemeinschaftsgüter, oder Commons, wurde ursprünglich vor allem für natürliche Ressourcen, wie Rohstoffe, Wasser und Wald verwendet. Heute umfassen Commons auch das über Jahrtausende geschaffene gemeinsame Wissen der Menschheit in Form von Sprache, Musik, Literatur oder Mathematik. Beide, Gemeinschaftsgüter der Erde und des Geistes, sind Teil des öffentlichen Wohlstands einer Gesellschaft. Erst die gemeinschaftliche Nutzung macht die materielle und immaterielle Ressource zum Gemeinschaftsgut. Bei einem Kletterfelsen ist nicht der Fels das Gemeinschaftsgut, sondern die von Kletterern gemeinsam erarbeiteten Routen und Schwierigkeitsgrade. Die an der Entstehung und Nutzung der Commons beteiligten Personen sind die so genannten Commoner, das gemeinsame Verwalten des Gemeinschaftsgutes wird als Commoning bezeichnet.

Im Gegensatz zu Privateigentum schließen Commons andere von der Nutzung nicht aus, sondern wollen sie explizit mit einschließen, da dies den Wert für die Gemeinschaft erhöht. Außerdem werden Commons nicht mit Maßstäben wie Gewinn oder Kosten bewertet. Da die Commoner die Gemeinschaftsgüter kostenlos nutzen, ist es ihre Pflicht, die Gemeinschaftsressource zu erhalten und weiterzugeben.

Hartz-IV Möbel

Ein Beispiel, in dem Wissen für andere kostenlos bereit gestellt wird, ist das Projekt der Hartz-IV Möbel. Initiator ist der Berliner Architekt Le Van Bo. Selbst lange arbeitslos, hatte er die Idee, seine Möbel in Eigenregie zu bauen. Aus dieser Idee entstand der „24 Euro Sessel", dessen Bauplan hier  heruntergeladen werden kann. Er ist erschwinglich und kann von allen nachgebaut werden. Damit wird vielen Menschen der Zugang zu hochwertigen und kostengünstigen Möbeln ermöglicht. Aufgrund des Erfolges wurde eine gesamte Kollektion von Möbeln entworfen und ihre Baupläne als Buch veröffentlicht. Dessen Druck und Versand wurde über so genanntes crowdfunding oder Schwarmfinanzierung, das heißt von einer Vielzahl von Personen, vor allem Internetnutzern, finanziert. Das eigentliche Commoning fand aber bei der Gestaltung des Buches statt: Über eine Facebook-Seite konnten Interessierte ihr Fachwissen und ihre Vorschläge einbringen, um Möbel zu verbessern oder weitere hinzuzufügen. Das in Kürze erscheinende Buch kann hier bestellt werden.

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Open Goldberg Variations

Auch im Bereich der Musik gibt es prominente Beispiele für Commoning. So wurden etwa lizenzfreie Liederbücher mit Weihnachtsliedern speziell für Kindergärten aufgelegt, um diesen die kostenlose Nutzung zu ermöglichen. Ein anderes Projekt war die Einspielung der Goldberg-Variationen von Johann Sebastian Bach. Die Musik von Bach ist zwar frei zugänglich, die Noten und das Spiel der Künstler sind es jedoch nicht. Das Projekt „Open Goldberg Variations" wollte dies ändern. Über crowdfunding nahmen die Organisatoren genügend Geld ein, um einen neuen Notensatz zu erstellen, diesen von Experten begutachten zu lassen sowie ein Studio und eine Produzentin zu bezahlen. Der Flügel wurde gesponsert. Die Pianistin Kimiko Ishizaka spielte die Variationen ein und verzichtete anschließend auf ihre Rechte an dem Werk. Nun kann sich jeder die Goldberg Variationen kostenfrei anhören und legal herunterladen, weiterverbreiten und sogar verändern.

Wer sich ausführlicher mit den Commons beschäftigen will, dem seien die beiden von Silke Helfrich und der Heinrich-Böll-Stiftung herausgegebenen Bücher empfohlen. Als echte Commons-Projekte sind beide frei im Internet verfügbar:

Silke Helfrich/Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.) (2009), Wem gehört die Welt? Zur Wiederentdeckung der Gemeingüter, München, 290 S.

Silke Helfrich/Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.) (2012), Commons. Für eine neue Politik jenseits von Markt und Staat, Bielefeld, 530 S.