Erfüllter leben


Übersicht Leuchttürme

Der Garten Eden

Dass Cornwall mit seinen Stränden, seinen Fischerdörfern und seiner keltischen Vergangenheit zu den interessantesten Landstrichen Europas gehört, ist nicht neu. Seit 15 Jahren gibt es hier jedoch eine Sehenswürdigkeit, die für manche so gar nicht in die Beschaulichkeit der Region passt. Andere sehen in ihr hingegen das achte Weltwunder: das Eden Project, das eines der ambitioniertesten Anlagen weltweit ist, wenn es um das Zusammenspiel von Mensch, Natur, Nachhaltigkeit und verantwortungsvoller Zukunftsorientierung geht. Die riesigen Kuppeln aus leichtem, durchsichtigem Kunststoff, unter denen sich Gärten verschiedener Klimazonen befinden, wirken wie aus einem Science-Fiction-Film. Kein Wunder, dass Eden schon als Kulisse für einen James-Bond-Film diente und 2005 einer der Schauplätze des weltumspannenden Rockkonzerts Live 8 war. 

bigImage

Ben Foster

Eden, im weitesten Sinn ein botanischer Garten, ist ein Ort, der „die Leute mit sich selbst und der Welt verbinden soll, damit sie eine Vorstellung bekommen, wie eine bessere Zukunft aussehen könnte“, wie Produktionsdirektorin Jo Elworthy sagt. „Außerdem geht es uns darum, den Menschen die Pflanzen nahezubringen - Pflanzen geben uns Nahrung, Treibstoff, Medizin, Werkstoffe. Sie nehmen das Kohlendioxid aus der Atmosphäre und regulieren das Klima. In unserem Regenwaldareal - dem weltweit größten in einem Treibhaus - können die Besucher direkt erleben, was ein Regenwald ist, wie er Biodiversität unterstützt, wie Niederschlag entsteht oder welche Pflanzen Palmöl oder Schokolade liefern. Bei den Produkten für unsere Cafés und Shops bemühen wir uns, ausschließlich mit nachhaltigen Herstellern zu arbeiten. Kurz, wir versuchen, den Besuchern den ganzen Weg von der Natur über den bewussten Umgang mit Ressourcen und den Kauf von nachhaltigen Produkten bis zum Mitmachen in einer Organisation nahezubringen. Wir möchten den Leuten zeigen, dass jeder ein Teil der Natur und mit ihr verbunden ist.“

smallImage

Eden Project vergrößern

Eden geht zurück auf den Komponisten und Musikproduzenten Tim Smit. Smit, mittlerweile von der Queen geadelt, war einer der Verantwortlichen für die Restaurierung der Lost Gardens of Heligan, eine der schönsten Gartenanlagen Englands. Smit hatte, bevor er ins Musikgeschäft einstieg, Architektur und Archäologie studiert. „Tim wollte einen Ort für seltene Pflanzen gestalten“, erzählt Jo Elworthy. „Die Restaurierung von Heligan sollte auch zeigen, wie Menschen mit dem Land umgehen und arbeiten und dass wir dieses Wissen nicht verlieren dürfen. Dann begann Tim darüber nachzudenken, wie man Ähnliches mit Bezug zur ganzen Welt machen könnte - auch hinsichtlich der Geschichten, die Pflanzen haben, wie sie Leben und Kultur beeinflussen, denken wir nur an Kaffee. Also kam er mit der Idee, ein Treibhaus zu errichten. Es waren aber so viele Geschichten, dass er ein größeres Areal brauchte. Er fand eine alte Kaolinmine. Dort entstand Eden. Sozusagen als kleines Welttheater für Pflanzen und Menschen.“

smallImage

Emily Whitfield vergrößern

Nur konsequent also, dass Wissenschaft, Kunst und Ausbildung hier Hand in Hand gehen. Eden bietet education programmes für Schulen, Universitäten und Firmen: „Es geht letzten Endes stets um die Verbindung von Mensch und Natur“, erklärt Jo Elworthy, „und darum, dass das Miteinander einen Unterschied macht. Wir verfolgen generell einen holistischen Ansatz: Will der Mensch gesund sein, muss der Planet gesund sein. Unsere Kultur- und Musikevents helfen auch, Wissenschaft zu vermitteln. Wenn wir z.B. eine Ausstellung machen, versuchen wir, aus dem recherchierten Material eine Geschichte zu machen, wie für ein Hör- oder Fernsehspiel. Wir sprechen dann mit Künstlern und fragen sie: „Was würdest Du damit machen?“.

Das Eden Project ist eine charity, d.h. alle Einnahmen gehen in die Anlage und die education programmes, und der Betrieb wird komplett aus eigenen Mitteln finanziert. Eden legt auch großen Wert auf Energieziele: Reduzierung des Wasserverbrauchs, Nutzung von gesammeltem Regen- und Grundwasser, betriebseigenes Solarsystem, Zusammenarbeit mit nachhaltigen Energielieferanten, eigene Kompostierungs- und Recyclinganlage. Derzeit arbeitet man mit Fachleuten an einer eigenen geothermalen Energiegewinnung, die 2020 in Betrieb gehen soll. 

smallImage

Ben Foster vergrößern

Kritik erfuhr Eden wegen einer Zusammenarbeit mit Rio Tinto, einem der größten Bergbau- und Minenunternehmen der Welt. Jo Elworthy erzählt: „Eine Kollegin hatte Rio Tinto angerufen und nach ethisch einwandfrei geschürftem Kupfer gefragt. Die Antwort war, dass alles Kupfer weltweit aus verschiedenen Minen gemischt sei. Woraufhin meine Kollegin fragte, ob Rio Tinto nicht eine Mine mit einwandfreiem Leumund habe. Sie sagten ‚Ja, haben wir‘. ‚Können wir Kupfer aus dieser Mine haben?‘ ‚Aber es ist doch alles gemischt.‘ Letztlich haben wir dann doch Kupfer nur aus dieser Mine bekommen. Vielleicht führt das zu weiteren Veränderungen bei Rio Tinto. Wir sollten sehen, dass wir die Leute zum Nachdenken bringen.“

Dank Eden kann man, an einem Tag den Regenwald durchqueren, die mediterrane Klimazone samt Parfümgarten kennenlernen, die Vegetation Cornwalls entdecken, Ausstellungen besuchen, fair essen oder sich über nachhaltige Geschäfts- und Energiekonzepte informieren - und am Abend möglicherweise noch ein Konzert einer namhaften Popgröße hören: „Enjoying life is a foundation for a better future“, heißt es bei Eden.

The Eden Project

The Lost Gardens of Heligan

(Nikolaus Wiesner, Juli 2016)