Großbritannien sucht neuen Wohlstandsindikator
Zunehmend wird die Tauglichkeit des Bruttoinlandsprodukts (BIP) als Leitindikator für den Wohlstand von Gesellschaften angezweifelt. In Europa sind deshalb von der EU-Kommission, dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy, dem Deutschen Bundestag und dem britischen Premierminister David Cameron jeweils verschiedene Gremien und Institutionen beauftragt worden, Messkonzepte zu entwickeln, die durch die Einbeziehung von Indikatoren zu Lebensqualität und ökologischer Nachhaltigkeit den Wohlstand möglichst breit und wirklichkeitsnah erfassen.
In Großbritannien wurde das Nationale Statistikamt (ONS, Office for National Statistics) beauftragt. Diesem steht ein Beirat mit Experten zur Seite, die über das notwendige wissenschaftliche Fachwissen verfügen. Darüber hinaus bezieht das ONS die Öffentlichkeit intensiv in die Suche nach einem neuen Messkonzept ein. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass dieses von möglichst vielen Menschen verstanden und angenommen wird und für möglichst viele Anwendungsbereiche genutzt werden kann.
Beispielsweise arbeitet das ONS mit Entscheidungsträgern aus Politik, Wirtschaft und (Zivil-)Gesellschaft zusammen. Auf regelmäßigen Treffen können die jeweiligen Akteure ihre spezifischen inhaltlichen und strategischen Interessen darlegen und Anforderungen formulieren, die sie an ein neues Messkonzept stellen.
Auch die Bürger haben die Möglichkeit, mitzuteilen, was für sie Wohlstand bedeutet und was ein neues Wohlstandsmaß enthalten könnte bzw. sollte. Im ganzen Land finden so genannte Events statt, bei denen die Statistiker des ONS den Bürgern das Beteiligungsverfahren erläutern und sie nach ihren Meinungen fragen. Interessierte Nutzer können sich zudem in einem Internetforum miteinander austauschen oder per Email Anregungen geben bzw. Fragen stellen.
Um auch weniger interessierte und engagierte Menschen zu erreichen, wird die Bevölkerung bis zum 15. April 2011 in einer Umfrage gebeten, ihre Vorstellungen zu äußern. Neben inhaltlichen Aspekten wird sie dabei auch danach gefragt, wie der Wohlstand am besten dargestellt werden könnte: durch einen Index, ein großes Set mit möglichst vielen Indikatoren oder eine kleine Auswahl weniger Schlüsselindikatoren.
Über den Stand des Verfahrens informiert das ONS regelmäßig auf seiner Website (http://www.ons.gov.uk/well-being). Der erste Zwischenbericht mit inhaltlichen Ergebnissen wird voraussichtlich Mitte 2011 veröffentlicht.