Erfüllter leben


Übersicht Leuchttürme

Tropisches Wunderland

smallImage

Centro Educativo Burle Marx ©Marcelo Coelho vergrößern

Mitten in der üppigen, tropischen Natur Südostbrasiliens, in der Nähe des Städtchens Brumadinho, eröffnet sich dem Besucher eine Wunderwelt, ein Areal das 1200 Hektar umfasst. In atemberaubender Natur präsentieren sich im Instituto Inhotim Werke namhafter zeitgenössischer Künstler wie Olafur Eliasson oder Doug Aitken. Ferner finden sich seltene Pflanzen, die größte Palmensammlung der Welt und seit 2010 auch ein eigenes Schul- und Ausbildungszentrum. Inhotim gründet auf dem Vertrauen, dass die Auseinandersetzung mit Kunst und Natur eine Gesellschaft verändern kann“, so der deutsche Kunsthistoriker Jochen Volz, bis 2012 künstlerischer Leiter der Anlage. 

smallImage

Atraves, Cildo Meireles ©Daniela Paoliello vergrößern

Volz ist Inhotim bis heute eng verbunden, arbeitet für die Londoner Serpentine Gallery und hat u.a. 2009 die Biennale von Venedig kokuratiert. „Inhotim ist ein großer Garten, ein Labyrinth, das Berge, Teiche, Wälder, Wiesen, Buschland und Täler beinhaltet. Darin sind über 20 Pavillons und Galerien errichtet, in denen die unterschiedlichsten künstlerischen Arbeiten gezeigt werden. Ein Besuch in Inhotim hat wenig mit einem normalen Museumsgang zu tun - man kann gar nicht alles an einem Tag sehen. Viele Besucher lassen sich dann einfach treiben, wandern durch den Park und die Wälder und machen selbst Entdeckungen: Das Erleben eines Werkes oder eines Pavillons im Eukalyptuswald, auf einem Berg oder hinter einem See wirkt oft tief. Viele beschreiben ihr Erlebnis bei uns als ausgesprochen ‚lebendig’. Als ,aktive’ Besucher finden sie hier etwas, das mit den eigenen Fragestellungen, Ängsten und Wünschen korrespondiert“. Für Volz „ein Lernprozess, den wir Menschen als sehr wohltuend empfinden.“

smallImage

Bancos 02,Hugo França ©Rossana Magri vergrößern

Dass es dieses Wunderland gibt, ist Bernardo Paz, Jahrgang 1949 zu verdanken, der sein riesiges Vermögen als Minenunternehmer machte. „Er hat sich immer für Kunst, Kultur und Botanik interessiert“, erzählt Jochen Volz. „Schon in den achtziger Jahren hatte er eine Sammlung moderner brasilianischer Kunst und war mit dem berühmten brasilianischen Landschaftsarchitekten Roberto Burle-Marx befreundet. Als Paz Künstler seiner eigenen Generation kennenlernte, wollte er am künstlerischen Prozess teilnehmen und das mit anderen teilen. Daraus wurde Inhotim. Es waren vor allem die Künstler, die ihn dazu anregten, statt Kunst nur für sich zu sammeln ein öffentliches Museum zu errichten, mit einem Erziehungsauftrag und sozialer Verantwortung für die Region.“ 

smallImage

De Lama Lâmina, Matthew Barney ©Pedro Motta vergrößern

Der eine oder andere mag nicht ohne Grund einwenden, dass ein Minenmagnat kein offensichtlicher Weltverbesserer ist. Doch unstrittig hat er sich für sein Herzensprojekt außerordentlich engagiert. Seine letzten Erzminen hat er an einen chinesischen Konzern verkauft. Besuchereinnahmen, Sponsorengelder und Paz‘ eigener großer finanzieller Einsatz bilden die Mischfinanzierung der Anlage: „Private Sponsoren“, sagt Jochen Volz, „erkennen zunehmend die Bedeutung dieses Kulturprojekts und sind bereit, Inhotim finanziell zu unterstützen. In Brasilien gibt es die Möglichkeit, die finanzielle Unterstützung gemeinnütziger Kulturprojekte steuerlich abzusetzen, in diesem Sinne ist auch der Staat indirekt am Projekt beteiligt. Bernardo Paz trägt allerdings den Großteil der laufenden Kosten selbst und finanziert vor allem neue Investitionen.“ Die Künstler können hier übrigens direkt vor Ort arbeiten. Doug Aitken z.B. hat einen „Sonic Pavillon“ geschaffen: Eine Art Kuppel auf einem Hügel, in der der Besucher den Klängen der Erde zuhören kann, übertragen von Mikrophonen aus einem rund 200 Meter tiefen Schacht. 

smallImage

Sonic Pavilion, Doug Aitken ©Daniela Paoliello vergrößern

Inhotim versteht sich als Ort, der die Menschen verändern kann. Dazu gehören auch die eigenen Schul- und Ausbildungsprogramme: „Sie sind oft in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen und den Bildungsbehörden entwickelt worden“, erläutert Jochen Volz. „Dazu nimmt Inhotim seit 2006 eine wichtige Wortführerrolle zu Umwelt- und Naturschutzfragen in der Region ein, in politischen Gremien wie im Klassenzimmer. In Brasilien und speziell im Bundestaat Minas Gerais sind Nachhaltigkeit und Umweltschutz ein heiß umkämpftes Thema. Unsere Programme sprechen die komplexe Situation an und können hoffentlich langfristig das Bewusstsein der lokalen Jugend verändern.“ Nicht ohne Stolz verweist Jochen Volz auch darauf, dass Inhotim schon heute „der größte Arbeitgeber in der Region ist.“ 

smallImage

Magic Square, Helio Oiticica ©Rossana Magri vergrößern

Inhotim ist ein wegweisendes Projekt, nicht nur für Südamerika und nicht nur für Kunstliebhaber. Kultur, Natur und Erleben sind hier in gewisser Weise „Lebensspender“. Sie können die Menschen dazu bringen, sich zu öffnen - und zu lernen, das eigene Leben zu genießen, in die Hand zu nehmen und zu gestalten. „Für eine lebenswerte Zukunft“, schließt Jochen Volz, „brauchen wir ein Bewusstsein, das Ungewissheit nicht mit Angst vermischt. Angst lähmt, aber Ungewissheit kann neues Handeln ermöglichen.“

Inhotim Homepage

(Nikolaus Wiesner, März 2016)