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Königliche Nachhaltigkeit

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Einer der beeindruckendsten Dokumentarfilme der letzten Jahre hatte im April 2012 auf dem Sundance Film Festival in London Premiere: Stuart Sender, Oscar-nominierter amerikanischer Autor, Regisseur und Produzent, hat mit „Harmonie“ ein knapp anderthalbstündiges Werk vorgelegt, das am Beispiel von Protagonisten aus der ganzen Welt zeigt, was es heißt, sich für Natur, Umwelt und Mitmenschen stark zu machen. Der Film basiert auf den Gedanken und Erwägungen, die Prinz Charles in seinem Buch „Harmonie - eine neue Sicht der Welt“ darlegt; Charles führt auch persönlich durch den Film. Bauern, Erfinder, Wissenschaftler, Naturschützer, Firmengründer aus den USA, England, Deutschland, Indien und anderen Ländern kommen zu Wort und präsentieren ihre Arbeit auf eine so unaufgeregte, menschliche und tief gehende Weise, dass man sich wünscht, mehr Beiträge zu Leben und Nachhaltigkeit würden so gestaltet: Effektivität ist nicht unbedingt eine Frage der „Lautstärke“.

Das mag auch das Motto von Prinz Charles sein, wenn es um seine Arbeit und seine genauso zahl- wie erfolgreichen Stiftungen geht. Bekannt ist das Engagement des britischen  Thronfolgers in Sachen Architektur, Klimawandel und Nachhaltigkeit. Doch nicht viele außerhalb des Commonwealth wissen um die tatsächliche Breite und Vielfalt seiner Bemühungen. Von manchen werden sie sogar noch immer als Spleen und nicht als ernsthafte und erfolgreiche Arbeit gesehen - obwohl Prinz Charles u.a. 2008 mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis geehrt wurde.

Prinz Charles hat in Großbritannien seit den siebziger Jahren 13 Wohltätigkeitsorganisationen bzw. Stiftungen ins Leben gerufen, 14 sind es insgesamt, die zu den Prince‘s Charities gehören. Jede Organisation ist eine unabhängige Einheit, dennoch arbeiten sie zusammen: The Prince‘s Charities sind das größte Wohltätigkeitsunternehmen im Vereinigten Königreich; in letzter Zeit wurden mehr als 100 Millionen Pfund pro Jahr für die Charities zur Verfügung gestellt bzw. gesammelt. Daneben gibt es auch in Australien und Kanada Wohltätigkeitsorganisationen von Prinz Charles, die unter den Namen The Prince‘s Charities Australia bzw. The Prince‘s Charities Canada firmieren - und in den USA eine eigene Prince Of Wales Foundation.

Alle diese Wohltätigkeitsorganisationen, egal in welchem Land, arbeiten in den Bereichen Kunst und Architektur, verantwortungsvolles Unternehmertum, Jugend, Nachhaltigkeit, Naturschutz und Landwirtschaft. Vier der britischen Organisationen bemühen sich auf unterschiedliche Weise darum, Kindern, jungen Erwachsenen und Lehrern Möglichkeiten und Perspektiven für die Zukunft zu geben: Eine Zeichen- und eine Kunstschule fördern handwerkliches Können, das in postindustriellen Dienstleistungsgesellschaften oft verloren geht. Der Prince‘s Trust eröffnet benachteiligten jungen Menschen die Möglichkeit, einen (Wieder)Einstieg ins Berufsleben zu schaffen. Ein eigenes Lehrinstitut bietet staatlichen Lehrern maßgeschneiderte Weiterbildungsmöglichkeiten. Lokale Organisationen der Prince‘s Charities in Wales und Schottland bemühen sich u.a. um eine Verbesserung der Situation von älteren Arbeitnehmern oder um neue, eng vernetzte und nachhaltige Geschäftsmodelle in strukturschwachen Regionen.

Einen bemerkenswerten Ansatz liefert In Kind Direct, 1996 von Prinz Charles gegründet: Firmen können ihre wegen kleiner Fehler bei der Herstellung oder der Verpackung nicht genutzten, aber noch gut verwendbaren Produkte an IKD senden; über ein weitreichendes Netzwerk leitet In Kind Direct das an Wohltätigkeitsorganisationen weiter, was sonst auf dem Müll landen oder in Lagerhäusern vor sich hin dämmern würde: Mehr als 900 Firmen haben bis dato mitgemacht, über 6300 Organisationen davon profitiert, und mehr als 130 Millionen Pfund Warenwert wurden denen zugeführt, die es dringend brauchen.

Weltweit setzen sich mehrere von Charles‘ Charities für biologische Landwirtschaft, Natur- und Ressourcenschutz, nachhaltige Geschäftsmodelle sowie einen nachhaltigen Umgang mit der Erde allgemein ein: Business In The Community z.B. bemüht sich um verantwortungsvolles Unternehmertum direkt dort, wo die Unternehmen ihren Sitz haben: Die Unternehmen arbeiten an der Lösung von Umwelt- und Sozialproblemen vor Ort mit, um eine nachhaltige Zukunft sowohl für das Unternehmen als auch für die jeweilige Region zu sichern. Über 850 Unternehmen sind Mitglieder von BITC, weitere 10.700 engagieren sich weltweit für die BITC-Kampagnen. Das University Of Cambridge Institute for Sustainability Leadership (CISL) arbeitet über Weiterbildungsprogramme, Expertenhilfe und Netzwerke für Führungskräfte in Politik, Wirtschaft und Bürgerorganisationen an Lösungen für drängende globale Probleme. Das Prince Of Wales‘s Accounting For Sustainability Project bietet Finanzchefs und Finanzstrategen, Regierungen und Investoren weltweit seit 2004 die Möglichkeit, Entscheidungen, Arbeitsmethoden und Betriebsumfeld auf nachhaltige Geschäftsmodelle umzustellen. Die International Sustainability Unit, entstanden aus dem Regenwald-Projekt von Prinz Charles, arbeitet seit 2010 mit Regierungen, Privatpersonen und Bürgerorganisationen aus der ganzen Welt: Nach den 5 Milliarden Dollar, die das Regenwald-Projekt zum sofortigen Schutz des Regenwaldes zur Verfügung stellen konnte, bemüht sich die ISU auf der Grundlage profunder wissenschaftlicher Recherchen und Analysen um Naturschutzprogramme, genauso wie sie sich für nachhaltige Nahrungs-, Wasser- und Energieversorgung engagiert oder Investitionen in nachhaltige Landwirtschaft fördert und sich für nachhaltige Fischerei einsetzt.

Die finanzielle Basis für alle Wohltätigkeitsaktivitäten von Prinz Charles bildet die Prince‘s charitable foundation, eine der größten unabhängigen Stiftungen Großbritanniens. Sie finanziert sich u.a. aus den Verkaufserlösen von Produkten der königlichen Biolandwirtschaft und Eintrittsgeldern zu den königlichen Gärten in Highgrove - mehr als 10 Millionen Pfund kamen dadurch schon zusammen. Eine Studie der renommierten Cass Business School kam 2011 zu dem Schluss, dass in Großbritannien keine andere Institution oder Gruppe von Wohltätigkeitsorganisationen eine vergleichbare Wirkung wie The Prince‘s Charities erzielen konnte.

Würden mehr Führungskräfte in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft ein ähnliches Engagement für Mensch, Umwelt und Zukunft an den Tag legen, wäre das ein echter Gewinn für die Welt: Manche Probleme wären schnell gelöst, andere vielleicht gar nicht erst entstanden. Von einem königlichen Spleen kann also keine Rede sein. Das belegt auch Stuart Senders eindrucksvoller Film.

www.theharmonymovie.com

www.princeofwales.gov.uk/the-prince-of-wales/the-princes-charities

www.pcfisu.org

www.accountingforsustainability.org


(Nikolaus Wiesner, Juli 2015)