Erfüllter leben


Übersicht Leuchttürme

Bergkristall

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Die Monte-Rosa-Hütte - ©Tonatiuh Ambrosetti vergrößern

Nein, es ist kein Raumschiff, das da am Gornergletscher gelandet ist, weil Außerirdische die atemberaubende Umgebung von Matterhorn und Monte Rosa kennenlernen wollten. Vielmehr erinnert das Aussehen der neuen Monte-Rosa-Hütte an einen Bergkristall, und so wird sie von vielen auch genannt. Auf der Südwestfassade der mit einer Aluminumhülle verkleideten Holzbaukonstruktion prangt eine Photovoltaikanlage, im Inneren gibt es 120 Schlafplätze, alles für einen angenehmen Aufenthalt Notwendige - und ein ausgeklügeltes Energie- und Wassersystem: Die Hütte ist zu gut 90 Prozent energieautark, Schmelzwasser wird in einer Felskaverne gespeichert, eine Mikrofilteranlage auf bakterieller Basis reinigt die Abwasser, so dass das Grauwasser für die Toilettenspülung wiederverwendet werden kann. Das Warmwasser erwärmt auch die Luft für die Lüftungsanlage. Und wenn doch einmal eine längere Schlechtwetterzeit eintritt, springt ein mit Diesel oder Rapsöl laufendes Blockheizkraftwerk für die Stromproduktion ein. Entwickelt wurde das System einschließlich einer hochmodernen Steuerungssoftware für die Haustechnik von der ETH Zürich unter Leitung von Dr. Meinrad K. Eberle. 

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Die Hütte im Bau - ©ETH Zürich vergrößern

Billig war das Projekt natürlich nicht - 6,5 Millionen Franken kostete der Bau, der nur mit entsprechender finanzieller Unterstützung zahlreicher Sponsoren und Gönner realisiert werden konnte. Für Peter Planche, beim Bau der Hütte Verantwortlicher seitens des SAC, ist die Hütte „ein Aushängeschild vor allem für die Sektion Monte Rosa, aber auch für den gesamten Schweizer Alpin Club. Wir bekommen nur Komplimente, ein solches Projekt gewagt und realisiert zu haben“. Auch wenn der Unterhalt der Hütte sehr teuer ist und Planung und Erstellung ein Wagnis waren, sagt er, „kann die Hütte hinsichtlich Energieeffizienz und Architektur zukunftsweisend sein“. 

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Innenraum im Bau - ©ETH Zürich vergrößern

Als die Hütte 2010 für den Publikums-verkehr freigegeben wurde, ahnte noch niemand, welchen Besucherandrang sie auslösen würde - und welche Probleme trotz der minutiösen Planung entstehen würden. Nicht nur Bergsteiger und erfahrene Bergwanderer traten den hochalpinen Weg zur Hütte samt Querung des Gornergletschers an, sondern auch viele Touristen und Architekturinteressierte ohne entsprechende Ausrüstung: „Die Besucherzahl war wesentlich höher als angenommen. Daraus resultierten Schwierigkeiten mit der Abwasserreinigung, der Photovoltaikanlage und der Elektrotechnik,“ erläutert Meinrad Eberle. Für die anfänglich bis zu 11.000 Übernachtungen reichten die Kapazitäten nicht aus, das Energie- und Wassersystem überschritt die Grenzen seiner Belastbarkeit. Mittlerweile konnten die Probleme behoben und das Energie- und Wassersystem angepasst werden - und die Besucherzahl liegt bei 7.000 im Jahr. Hüttenwirt Peter Rubin bestätigt, dass „die Betriebsanlagen zur Zeit dank der Revision gut laufen“. Völlige Autarkie gibt es freilich auch hier nicht - Lebensmittel und Kraftstoffe zum Beispiel müssen eingeflogen und Abfälle abtransportiert werden, beides geschieht per Helikopter.

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Bauarbeiten an der Hütte - ©Hans Zurniwen vergrößern

Zu neuen, ganzheitlichen und umweltbewussten Wegen im Alpin-tourismus wie im Umgang mit Natur und Ressourcen allgemein macht sich natürlich auch Projektleiter Meinrad Eberle seine Gedanken - auch wenn die Hütte inzwischen „voll in der Obhut des SAC ist und wir von der ETH nur noch beratend dabei sind. Unser Fazit zum bisherigen Betrieb der Hütte fällt eindeutig positiv aus“, sagt er, dennoch müsse „der Alpintourismus der Zukunft die Kriterien der Nachhaltigkeit erfüllen und beispielhaft vorangehen. Technische Universitäten müssen Beiträge zur nachhaltigen Gestaltung unserer Zukunft leisten, sie dürfen nicht die Interessen der Wirtschaft vertreten. Forschung ist ein Gebot der Stunde, und die Ergebnisse müssen umgesetzt werden“. Eine bedingungslose Subventionierung erneuerbarer Energie sieht Eberle kritisch: „Den gewünschten Fortschritt bringen wir nur mit Technik hin - und mit griffigen Vorschriften, deren Einhaltung sehr genau überprüft werden muss. Einen neuen Menschen können wir uns nicht erfinden. Die Natur lehrt uns Anpassungsfähigkeit und Genügsamkeit, und die Technik kann sehr viel von ihr lernen“. Hüttenwirt Peter Rubin wünscht sich ein derartiges Bewusstsein für die Natur auch von seinen Besuchern: „Wir sollten uns der Natur anpassen und nicht das ganze Jahr über alles machen wollen, das heißt z.B. Skifahren eben nur von Dezember bis April. Und es sollte wieder mehr der wahre Bergsteiger zu uns kommen“.

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Die Monte-Rosa-Hütte - ©Tonatiuh Ambrosetti vergrößern

Wenn sich die großartige Landschaft am Monte-Rosa in der Aluminium-hülle der neuen Hütte spiegelt, mag man tatsächlich glauben, dass eine ganzheitliche Symbiose zwischen Mensch, Natur und Technik gelingen kann. Der bereits angeschlossene Umbau der Hörnlihütte am Matterhorn orientiert sich energie- und wasser-technisch übrigens am Vorbild der Monte-Rosa-Hütte: Außerirdischer Hilfe bedarf es also gar nicht.

Monte Rosa

(Nikolaus Wiesner, März 2016)