Erfüllter leben


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Nachhaltige Erholung

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Foto: Klaus-Peter Kappest vergrößern

2012/2013 veranstaltete der Deutsche Tourismusverband gemeinsam mit dem Bundesministerium für Umwelt und dem Bundesamt für Naturschutz einen groß angelegten Wettbewerb: Alle Urlaubsregionen quer durch die Republik sollten die Gelegenheit erhalten, wegweisende Ideen und Angebote hinsichtlich eines nachhaltigen Urlaubs zu präsentieren. Der Wettbewerb hatte sich zum Ziel genommen, den nachhaltigen Tourismus vor allem auf dem Land zu fördern, Vorbilder zu schaffen, Beispiele aufzuzeigen, Lust auf Urlaub in Deutschland zu machen und das Engagement für Nachhaltigkeit bei allen Beteiligten zu stärken: Kurzum, man wollte nicht kleckern, sondern klotzen.

Was aber ist eigentlich „nachhaltiger Tourismus“? Als Kriterien wurden für den Wettbewerb ein besonders effizienter Umgang mit natürlichen Ressourcen, der Schutz und die Erhaltung von Tier- und Pflanzenwelt sowie von Natur- und Kulturerbe vorgegeben. Außerdem sollten die Bedürfnisse der Gäste mit den Notwendigkeiten des Natur- und Umweltschutzes und den Interessen der Bevölkerung der Urlaubsregionen verbunden werden: „Nachhaltige Tourismusregionen tragen erheblich zur lokalen Wertschöpfung und zum Wohlstand bei“, so die Wettbewerbsbroschüre.

Und tatsächlich - von der Nordsee bis zu den Alpen zeigt sich Deutschland aktuell als ein Land, das sich über den Urlaub und Tourismus Gedanken macht. Nicht überall im gleichen Maß, aber es hat sich etwas getan. Der Selbstläufer-Massentourismus der Nachkriegsjahrzehnte war schon um die Jahrtausendwende in die Jahre gekommen: Ein rein auf Menge und Masse ausgerichtetes Angebot hat hierzulande als Modell für eine zukunftsgerichtete Prosperität der Urlaubsregionen ausgedient. Heute steht die Anpassung an individuelle Urlaubsvorstellungen im Vordergrund. Dazu gehören zunehmend Entschleunigung, intakte Natur, Flora, Fauna oder ein herausfordernder Aktivurlaub. Anbieter müssen mittlerweile eine breite Palette an Erholungs- und Erlebnismöglichkeiten bereitstellen, abgestimmt auf die regionaltypischen Vorzüge, die Menschen und Landschaft einer Urlaubsgegend bieten.

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Gewonnen hat den „Bundeswettbewerb Nachhaltige Tourismusregionen“ übrigens die Uckermark. 80 Kilometer von Berlin findet sich dort mit dem Naturpark Unteres Odertal der einzige Auen-Nationalpark Deutschlands. Dass die Uckermark als Sieger aus dem Wettbewerb hervorging, hat sie u.a. der Tatsache zu verdanken, dass mit dem Projekt „Klimafreundliche Uckermark“ ein breites Netzwerk von nachhaltig agierenden Tourismusanbietern entstand. Dazu wurde von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde eigens ein Kriterienkatalog entwickelt: Wer in der Uckermark als nachhaltiger Anbieter geführt werden will, muss konkrete Nachweise erbringen, darunter Mitarbeiterschulungen zum Klimaschutz, die Nutzung von Ökostrom oder eine eigene Energieerzeugung sowie die Verarbeitung regionaler Produkte und Lebensmittel. Generell zielt die Uckermark darauf ab, verschiedenste Lebens- und Wirtschaftsbereiche ganzheitlich zu vernetzen, damit zum Beispiel der Tourismus vom Naturschutz profitiert und umgekehrt.

 

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Foto: Allgäu GmbH vergrößern

Wie die Uckermark setzen nicht wenige Regionen in Deutschland inzwischen auf Nachhaltigkeit als Zugpferd und Strategie. Das Allgäu etwa hat als erste Region im deutschsprachigen Raum sein offizielles Markenzeichen an Nachhaltigkeitskriterien gekoppelt: Wer Partner der Marke „Allgäu“ werden möchte verpflichtet sich, die Ausrichtung der Region in Richtung nachhaltiges Wirtschaften zu unterstützen. 2014 wurde von verschiedenen Allgäuer Unternehmen ein Katalog mit möglichen Maßnahmen erarbeitet, wie sie in der Region nachhaltiger wirtschaften können.

Große Beachtung fanden im Wettbewerb auch die Anstrengungen hinsichtlich touristischer Nachhaltigkeit, Bildung und Zukunftsfähigkeit, die die Halligen in Nordfriesland oder die ostfriesische Insel Juist unternehmen. Seit 2009 zählt das Wattenmeer zum UNESCO-Weltnaturerbe, und nur böse Zungen würden behaupten, dass „die Lüüt“ im Norden Deutschlands sich nur deshalb um nachhaltiges Handeln bemühten. Im Gegenteil: Wer täglich nicht nur mit der Natur lebt, sondern ihr sein Leben auch manchmal abringen muss, ist oft eher in der Lage, über scheinbare Grenzen hinaus zu denken - oder sie, wo nötig, anzunehmen. Am Wattenmeer gehen Naturschutz und Tourismus, Humanismus und Fortschrittsdenken Hand in Hand, um Perspektiven, Wertschöpfung und menschliches Miteinander zu sichern. Zum dortigen touristischen Angebot zählen u.a. Erlebnisprojekte, die die Idee des Aktivurlaubs mit konkreter Naturschutzarbeit verbinden, für Kinder wie für Erwachsene.

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Viele deutsche Urlaubsregionen legen inzwischen größten Wert auf eine gute Bahnanbindung und ein öffentliches Nahverkehrssystem, die das eigene Auto für die Urlaubsreise überflüssig machen: Die Bahn hat mit „Fahrtziel Natur“ zusammen mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz, dem Naturschutzbund und Verkehrsclub Deutschland schon 2001 ein Programm aufgelegt, das 20 der schönsten Nationalparke, Naturparke und Biosphärenreservate Deutschlands per Schiene erreichbar macht. Allein acht dieser Gebiete ermöglichen die kostenlose Nutzung des ÖPNV schon bei Vorlage der Gästekarte. 

Trotzdem bleibt noch viel zu tun. Der Deutsche Tourismusverband konstatiert z.B. in seinen Positionspapieren, dass „die intensivere Nutzung nachhaltiger Energieträger durch ... touristische Betriebe dringend erforderlich“ sei. Intakte, saubere Umwelt und Natur, biologische Vielfalt, Klimaschutzkonzepte, faire Löhne, Erhalt und Förderung des Gemeinwohls und der Lebensqualität in den Urlaubsregionen, Förderung der regionsspezifischen Kultur - vieles im Forderungskatalog des Deutschen Tourismusverbandes liest sich wie ein Plädoyer für Bewusstsein, Nachhaltigkeit und Authentizität, gerichtet an Staat, Verantwortliche, Gastgeber und Gäste. Dass diese Forderungen so umfangreich sind, beweist aber auch, dass ein tiefgreifender Wandel erst noch bevorsteht.

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Die Erholung der Zukunft dürfte viel mit bewusstem Erleben zu tun haben, weg vom All-Inclusive-Gedanken und dem Kampf um die besten Plätze am Pool. Und wer weiß - vielleicht trägt diese Erholung dazu bei, dass auch die Arbeitswelt ihr Gesicht verändert: Die besten Ideen tauchen bekanntlich meistens mit der Entspannung auf. Mehr Wissenswertes findet sich auf den Seiten der Sieger, Finalisten und Sonderpreisträger des Wettbewerbs nachhaltiger Tourismus. Was natürlich nicht heißt, dass anderswo nicht auch Nachhaltiges zu finden wäre. Ein wenig Stöbern lohnt sich, und ein Umschwung zu einer neuen Tourismuskultur scheint sich zumindest anzudeuten.