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Postwachstumsgesellschaft konkret – Politische Ansätze zur Überwindung von Wachstumszwängen

"Gleichzeitig ist die Frage, ob sich dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit den ökologischen Grenzen unserer Erde vereinbaren lässt, wieder stärker in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen und politischen Debatte gerückt. Optimisten halten 'grünes Wachstum' für möglich, Skeptiker warnen, dass sich Wachstum nicht ausreichend vom Ressourcenverbrauch entkoppeln lassen wird. Auf der politischen Ebene ist von diesen Zweifeln in der Praxis noch nicht viel zu spüren: In Deutschland beschloss die schwarz-gelbe Bundesregierung ein Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Während SPD und Grüne dies in der Innenpolitik kritisierten, setzen sie sich auf EU-Ebene für aktive Wachstumspolitik zur Lösung der EU-Schuldenkrise ein. Auf der Seite der Wachstumskritiker mangelt es dagegen bisher meist an realpolitischen Ansätzen: Die einen fordern eine Postwachstumsgesellschaft 'von unten', in der Bürger_innen durch Verzicht und Selbstversorgung die Wirtschaft schrumpfen lassen. Für andere muss zunächst der Kapitalismus als 'Grundübel' beseitigt werden, bevor eine Wirtschaft ohne Umweltzerstörung denkbar ist.

Was in der Debatte meist zu kurz kommt, sind konstruktive Auseinandersetzungen über konkrete politische Handlungsansätze für eine Postwachstumsgesellschaft. Eine Postwachstumsgesellschaft, wie wir sie meinen, ist nicht zwangsläufig eine Gesellschaft, in der die Wirtschaftleistung nicht mehr wächst. Sie ist aber eine Gesellschaft, in der die Wirtschaft nicht mehr wachsen muss, um 'Wohlstand für alle' zu erzeugen. Solange die Fragen, ob exponentielles Wachstum künftig möglich sein wird und dieses gleichzeitig von steigendem Ressourcenverbrauch absolut entkoppelt und mit den ökologischen Tragfähigkeitsgrenzen unserer Erde in Einklang gebracht werden kann, sich nicht mit Sicherheit positiv beantworten lassen, gebietet alleine das Vorsorgeprinzip, sich Gedanken über eine so verstandene Postwachstumsgesellschaft zu machen. Statt einer Politik, die weiter auf Wirtschaftswachstum fokussiert ist, brauchen wir dringend eine Politik, die sich an tatsächlichem Wohlstand, am langfristigen Wohlergehen der Menschen orientiert.

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Postwachstumsgesellschaft und ökologisch-soziale Marktwirtschaft sind dabei keine identischen Konzepte, gehen aber weitgehend Hand in Hand. In dem Maße, wie der Marktwirtschaft starke soziale und ökologische Leitplanken gesetzt werden, werden der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen und die Beteiligungschancen aller Menschen am gesellschaftlichen Wohlstand gegenüber dem BIP-Wachstum als Selbstzweck in den Vordergrund gestellt. Auch viele konkrete politische Projekte einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft sind zugleich kompatibel mit Strategien, die die Wachstumszwänge des gegenwärtigen Wirtschaftssystems überwinden können und unterstützen diese. Zu diesen Projekten gehören u.a. der Abbau umweltschädlicher Subventionen, die Fortführung der Ökologischen Steuerreform, Zertifikatelösungen dort, wo absolute Grenzen adressiert werden sollen, aber auch Strategien für eine Substitution von materiellem durch Zeitwohlstand, umverteilende Steuern und eine strengere Regulierung der Finanzmärkte."

Ludewig, Damian/Meyer, Eike (2013), Postwachstumsgesellschaft konkret - Politische Ansätze zur Überwindung von Wachstumszwängen, Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft, Diskussionspapier 06/2013, Berlin, 13 S.