Erfüllter leben


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Schluss mit dem Wachstumswahn

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Aus dem Vorwort:
Dreieinhalb Milliarden Menschen in China, Indien und Afrika wollen so leben wie wir. Das ist nur möglich, wenn wir in den Industriestaaten abspecken. Doch mit allen Mitteln will man uns dazu verführen, an Gewicht weiter zuzulegen. Exponenten von Wirtschaft und Politik unternehmen alles, damit unsere Wirtschaft jedes Jahr um mindestens zwei Prozent wächst. Damit müssten wir in 35 Jahren doppelt soviel Geld haben, doppelt so viel konsumieren, doppelt so viel bauen, doppelt so viel fliegen wie heute. Und in 70 Jahren viermal so viel. Ist das möglich? Sicher nicht. Weder für uns, geschweige denn für die Menschen in China, Indien und Afrika, die so leben möchten wie wir.

Unter dem Titel «Das Geschwätz vom Wachstum» veröffentlichten wir vor sechs Jahren unser erstes wachstumskritisches Buch. Wir reagierten damals auf die weit verbreitete Klage über die «Wachstumsschwäche», nachdem die Schweizer Wirtschaft in den 1990er-Jahren weniger stark gewachsen war als in den Jahrzehnten davor. Im damaligen Buch dokumentierten wir, dass Wirtschaftswachstum die Probleme nicht löst, die es vorgibt zu lösen, sondern bestehende Probleme verschärft und neue Probleme schafft: Das allseits geforderte Wachstum beseitigt die Armut nicht, weder bei uns noch in den Entwicklungsländern. Es hilft auch wenig gegen die Arbeitslosigkeit, ist für die Finanzierung der Renten nicht nötig, verschlechtert in den wohlhabenden Staaten die Lebensqualität, zerstört die Natur, und vor allem: Ewiges materielles Wachstum auf einem begrenzten Planeten ist gar nicht möglich.

Unsere Analyse stiess 2004 auf viel Echo. Die ersten beiden Auflagen waren schnell vergriffen. Statt eine dritte Auflage zu drucken, beschlossen wir, ein neues Buch zu schreiben, das sich an der neusten Entwicklung orientiert. Denn inzwischen ist die Lage noch ernster geworden. 2008 platzte die Finanzblase. Die Konjunktur brach 2009 ein. Es wurde offensichtlich, dass unser Wachstum nicht nur auf der Plünderung der Natur basiert, sondern auf einer zunehmenden finanziellen Verschuldung.

Doch statt die Probleme zu lösen, die Bankencrash, Verschuldung, Raubbau an der Natur und Arbeitslosigkeit mit sich bringen, setzen Regierungen und Unternehmen erneut auf Wachstum und trösten, alle Probleme würden gelöst, wenn die Wirtschaft wieder wächst. Dieses Mal nehmen Regierungen und Parlamente noch krassere marktwirtschaftliche und ordnungspolitische Sündenfälle in Kauf: Sie sozialisieren die Risiken und Verluste der Banken, beuten die endlichen Naturschätze noch schneller aus, kurbeln die Konjunktur mit Steuergeschenken, Subventionen sowie zusätzlicher Verschuldung in Billionenhöhe an und verzerren so den Wettbewerb. Damit spitzt sich die Lage zu: Wird die Wachstumspolitik mit zusätzlichen Schulden fortgesetzt, droht ein Kollaps des Kapitalmarkts. Wird das Wachstum dagegen mit Sparprogrammen und Schuldenrückzahlungen gestoppt, setzt sich im heutigen System die Wirtschaftskrise fort. Eine Neuorientierung drängt sich auf.

Dieses Plädoyer liefert nicht nur eine Analyse der aktuellen Situation, sondern zeigt, wie wir uns schrittweise aus der Wachstums- und Schuldenfalle befreien können.

Urs P. Gasche und Hanspeter Guggenbühl,
September 2010

Urs P. Gasche/Hanspeter Guggenbühl (2010), Schluss mit dem Wachstumswahn. Plädoyer für eine Umkehr. Rüegger Verlag, Glarus/Chur.

Quelle: Rüegger Verlag