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Stellenwert von Wachstum und die Ideengeschichte des Fortschritts

Der Abgeordnete Dr. Matthias Zimmer, stellvertretender Vorsitzender der Enquete-Kommission "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität" des Deutschen Bundestages, hat zwei bemerkenswerte Papiere zum Stellenwert von Wachstum und den Möglichkeiten einer Postwachstumsökonomie in der Enquete vorgelegt. Zusammen mit dem Kommissions-Kollegen Michael Müller zeigt er u.a. auf, dass wirtschaftliches Wachstum in einer durch Marktradikalität beschleunigten und entgrenzten Gesellschaft nicht mehr Wohlstand, sondern eher das Gegenteil bewirkt.

Sondervotum zum Bericht der Koalitionsfraktionen: Stellenwert von Wachstum in Wirtschaft und Gesellschaft

In einem Sondervotum zum Bericht der Koalitionsfraktionen "Projektgruppe 1: Stellenwert von Wachstum in Wirtschaft und Gesellschaft" kritisiert Zimmer u.a. die einseitige Definition des Wachstumsbegriffs des Berichts. Wachstum führe nicht zwangsläufig zu mehr Wohlstand und Lebensqualität. Auch sei es keine notwendige Bedingung für ein gutes Leben. Dieses werde nicht allein durch ein Mehr an Konsum definiert. Letzteres sei eine verkürzte Betrachtung von Wohlstand und Lebensqualität unter Marktgesichtspunkten.

Darüber hinaus plädiert er dafür, der Ökologie im Konzept der Nachhaltigkeit ein "existenzielles Apriori" zukommen zu lassen, da sich alle wirtschaftlichen Aktivitäten innerhalb der Tragfähigkeitsgrenzen der Erde abspielen müssten. Erst wenn dies der Fall sei, könnten etwaige Zielkonflikte zwischen Ökologie und Ökonomie sowie Beschäftigung gelöst werden.

Ideengeschichte des Fortschritts

Im Papier zur "Ideengeschichte des Fortschritts", das Zimmer gemeinsam mit dem Sachverständigen Michael Müller verfasst hat, zeichnen die beiden Autoren die historische Entwicklung des Fortschrittsbegriffs von der Antike bis zur Moderne nach. Ausführlich behandeln sie die Gleichsetzung von Wirtschaftswachstum und Fortschritt. Dadurch werde der ursprünglich auf den ganzen Menschen ausgerichtete Fortschrittsbegriff ideologisch verengt und der Mensch auf einen Konsumenten reduziert. Auf diesen Überlegungen aufbauend beschreiben sie die Entwicklung wachstumskritischer Ökonomie, die ihren Ursprung bereits in der stationären Wirtschaft bei Adam Smith hat.

Zwar bestreiten Zimmer und Müller nicht die positiven Effekte des Wachstums für die Lebensqualität der Menschen in den früh industrialisierten Ländern. Jedoch bezweifeln sie, dass die einseitige Fokussierung der Politik auf weiteres Wachstum in der heutigen Welt angesichts der großen ökologischen und sozialen Herausforderungen noch zeitgemäß ist. Ungebremstes Wachstum zerstöre nicht nur die Chancen künftiger Generationen, sondern verzehre beispielsweise durch die Beschleunigung der Lebensverhältnisse den Wohlstand an Zeit oder sozialen und kulturellen Beziehungen der Gesellschaft.

Für die Zukunft plädieren die Autoren für eine Gesellschaft, in der der Mensch als "Gärtner" Ökosysteme im Einklang mit der Natur pflegt. Dafür müsse allerdings die Kluft zwischen vorhandenem gesellschaftlichem Wissen über die Wachstumsgrenzen des Erdsystems und fehlendem Handeln überwunden werden. Nur dann gebe es ein Entkommen aus der "Geiselhaft" des Wachstums. Darüber hinaus müsse eine globale Verantwortungsethik entwickelt werden, die u.a. globale Klimaschutzziele über nationale Wachstumsinteressen stelle. Denn eine Zukunft gebe es für die Menschheit nur gemeinsam - oder gar nicht.

Sondervotum zum Bericht der Koalitionsfraktionen: Stellenwert von Wachstum in Wirtschaft und Gesellschaft des Abgeordneten Dr. Matthias Zimmer, MdB, Drucksache 17(26)101.

Ideengeschichte des Fortschritts, Namensbeitrag des Sachverständigen Michael Müller und des Abgeordneten Dr. Matthias Zimmer, MdB, Drucksache 17(26)102.