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Gemeingüter - Wohlstand durch Teilen

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Der jüngst veröffentlichte Bericht „Gemeingüter - Wohlstand durch Teilen" einer Gruppe von Wissenschaftlern rund um das Wuppertal Institut und die Heinrich-Böll Stiftung zeigt, welche Rolle Gemeingüter in einer so genannten Postwachstumsökonomie spielen können oder sogar müssen, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu gewährleisten.

Für die Autoren ist klar, dass sich die Zeit hohen wirtschaftlichen Wachstums dem Ende zuneigt: „Klimachaos, schwindende Öl- und Gasreserven, wachsende Schuldenberge und verstärkte Ressourcenansprüche an verschiedenen Orten der Welt" werden dazu führen,  „dass es bald - vielerorts schon jetzt - nicht mehr um Wachstum, sondern um zivilisiertes Überleben geht. Darauf sind weder die ökonomische Praxis noch die ökonomische Theorie vorbereitet. Sie stehen ratlos vor der Frage, wie die Lebensumstände verbessert werden könnten, auch wenn der Kuchen nicht mehr wächst." Daher ist es für die Autoren höchst fraglich, weiterhin auf ein steigendes Volkseinkommen und überwiegend private, monetär gehandelte Güter, die im Zugang oder ihrer Nutzung beschränkt sind, zu setzen.

Vielmehr sollten Gemeingüter wieder an Bedeutung gewinnen: Gemeingüter sind Güter die frei zugänglich sind bzw. von jedem genutzt werden können. So zum Beispiel natürliche Gemeingüter wie Luft, Wasser oder ein Wald, kulturelle Gemeingüter, wie die Internet-Enzyklopädie Wikipedia oder Märchen (als Teil unserer kulturellen Identität) sowie soziale Gemeingüter wie urbane Gärten, Bibliotheken oder Straßenfeste. Das Potential von Gemeingütern könnte und sollte den Autoren zufolge in Zeiten wirtschaftlichen Rückgangs genutzt werden, da Geld bei diesen eine nachgeordnete Rolle spielt. Viel wichtiger sind bei diesen Gütern andere Werte und Eigenschaften, wie Kooperation und Gemeinschaft, Kreativität oder allgemeine Lebensqualität.

Im Report werden einige Beispiele mit ihren positiven Eigenschaften näher ausgeführt. Insbesondere werden von den Autoren kulturelle und soziale Gemeingüter beschrieben, die in der öffentlichen Wahrnehmung bisher eine untergeordnete Rolle spielen. So zum Beispiel interkulturelle Gärten in Städten: Dies sind Gärten, die auf innerstädtischen Freiflächen angelegt werden und von den Anwohnern gemeinsam für den Anbau von Gemüse oder Blumen genutzt werden können. Die in der Regel durch Vereine getragenen Bürgerinitiativen wollen Orte des Austauschs schaffen, um Menschen unterschiedlichster Schichten und Kulturen zusammenzubringen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Ein konkretes Beispiel sind die interkulturellen Gärten in Dessau (mehr erfahren).

Aber Gemeingüter stiften nicht nur Gemeinschaft, sie bieten auch Plattformen für Kreativität und Kooperation: So zum Beispiel diverse Internet-Projekte. Wikipedia ist hier das Paradebeispiel. Durch die Einträge einer Vielzahl von Nutzern ist eine Online-Enzyklopädie entstanden, die sich vor kommerziell verfassten Werken nicht verstecken muss.

Nicht zuletzt erhöhen Gemeingüter die Lebensqualität: als Beispiel führen die Autoren räumliche Nähe an, die im Zuge des Suburbanisierungsprozesses in Städten verloren gegangen ist. Dieses - auf den ersten Blick abstrakte Gemeingut - ist aber „ein Stück Reichtum, der sich oft erst nach seinem Verlust erschließt. Kurze Wege erlauben Sparsamkeit, indem Einkäufe zu Fuß erledigt werden können oder Kinder keinen Transport zur Schule brauchen. Räumliche Nähe stimuliert Vernetzung und Zusammenarbeit, etwa für selbstverwaltete Kinderkrippen, Nachbarschaftshilfe oder gemeinsamen Gartenbau."

Diese positiven Eigenschaften von Gemeingütern müssen der breiten Öffentlichkeit und der Politik wieder vergegenwärtigt werden. Wenn deren Potentiale erkannt und die politischen Rahmenbedingungen richtig gesetzt werden, dann ist es den Autoren zufolge möglich, eine auf Gemeingütern basierende „Ökonomie des Teilens und der Beteiligung, nicht der Akkumulation und Ausgrenzung" zu schaffen. 

Den vollständigen Report können Sie auf der Internetseite der Heinrich-Böll-Stiftung herunterladen.

Helfrich, Silke / Kuhlen, Rainer / Sachs, Wolfgang / Siefkes, Christian (2010): Gemeingüter - Wohlstand durch Teilen. Berlin.