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Wohlstand ohne Wachstum – ein Literaturüberblick

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Ist gesellschaftlicher Wohlstand ohne ökonomisches Wachstum möglich und wie können Demokratien funktionieren, wenn ökonomisches Wachstum dauerhaft ausbleibt? Den Stand der Forschung hierzu präsentiert Johannes Pennekamp in der vom Max-Planck-Institut veröffentlichten Studie "Wohlstand ohne Wachstum".

Die Studie gibt zunächst einen fundierten Überblick über die Kritik am tradierten Wachstumsdenken. Diese reicht von den ökologischen Grenzen des Wachstums, die zuerst im Bericht "The Limits of Growth" (1972) an den Club of Rome diskutiert wurden, über den abnehmenden Nutzen materieller Wohlstandmehrung für die Lebenszufriedenheit bis hin zum demographischen Wandel, dessen Eigenschaften als natürliche Wachstumsbremse am Beispiel Japans untersucht wurden.

Um die klassischen Wohlstandsdefinitionen und deren Messung zu hinterfragen, stellt der Autor Alternativen zum Bruttoinlandsprodukt (BIP), dem bis dato vorherrschenden Wohlstandsmaß, vor. Hierzu zählen beispielsweise der Human Development Index (HDI), der Index of Sustainble Economic Wellfare (ISEW) sowie die Vorschläge, die von der sogenannten Stiglitz-Kommission, der Commission on the Measurement of Economic Performance and Social Progress unterbreitet wurden.

Doch wie könnten alternative, ökologisch verträgliche Gesellschafts- und Wirtschaftsmodelle, die nicht vom Wirtschaftswachstum abhängen, aussehen? Als vielversprechendes, makroökonomisch fundiertes Modell wird das LowGrow-Modell von Peter Victor vorgestellt. Der Umweltökonom zeigt modellhaft am Beispiel Kanadas, dass Vollbeschäftigung und die Reduzierung der Armut bei gleichzeitiger Minderung der Treibhausgasemissionen auch mit niedrigerem oder ohne Wirtschaftswachstum möglich sind.

Dass künftig das Wachstum stagnieren bzw. der materielle Wohlstand und mit ihm die Konsummöglichkeiten sinken werden und deshalb der westliche Lebensstil verändert werden müsse, vertreten dem Autor zufolge namhafte Wissenschaftler aus  Großbritannien wie Tim Jackson und Deutschland wie Meinhard Miegel. Sie plädieren u.a. dafür, immaterielle Wohlstandsformen wie kulturelle Bildung, Zeit mit der Familie oder gesellschaftliches Engagement zu stärken.

Des Weiteren stellt der Autor das Steady State Konzept von Herman Daly sowie die Degrowth Bewegung vor. Letztere hat die bewusste Abkehr vom Wachstumsdenken zum Ziel und will menschlichen Fortschritt ohne quantitatives Wachstum erreichen. Die Stärke der Bewegung liegt dem Autor zufolge in der breiten Verwurzelung in Politik, Forschung und Gesellschaft. Unter anderem wurden bereits zwei internationale wissenschaftliche Konferenzen veranstaltet, die eine Vielzahl von Veröffentlichungen zur Folge hatten.

Trotz der zahlreichen Ansätze kommt der Autor jedoch zu dem Schluss, dass die eingangs formulierten Fragen nur zum Teil beantwortet werden können. Zwar gebe es bereits eine Reihe von alternativen, theoretisch begründeten Gesellschaftsmodellen. Jedoch würden hierzu systematische, empirische Untersuchungen fehlen, um diese auf ihre Umsetzbarkeit zu prüfen. Auch die Frage, ob Demokratien funktionsfähig bleiben können, wenn die Wirtschaft dauerhaft schrumpft, könne noch nicht zufriedenstellend beantwortet werden.

Johannes Pennekamp (2011), Wohlstand ohne Wachstum - ein Literaturüberblick.  Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung Working Paper 11/1.