Erfüllter leben


Übersicht Leuchttürme

Mehr wagen!

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Außen ist er aus Lärchenholz, der „Wohnwagon“, das mobile Zuhause für potentiell jedermann. Er hat alles, was man für ein komfortables und nachhal-tiges Wohnen braucht - und ist dennoch weit von einem herkömmlichen Wohn-wagen entfernt. Wer schon immer vom Eigenheim träumte, das mobil oder mit festem Standplatz ein autarkes Leben möglich macht - hier wird er fündig, per Solarstrom, Biotoilette, Wasserkreislauf-system und Solar-Holz-Zentralheizung. Es gibt den „Wohnwagon“ in verschie-denen Größen, nach Wunsch einge-richtet und ausgestattet. Erschwinglich ist er auch - die Kosten halten sich im Vergleich zu vielen Wohnungen oder Häusern in Grenzen.

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A fesche Sach‘, wie man in Wien sagen würde. Doch funktioniert das wirklich? Und vor allem - was wollen die, die dahinter stecken? Wer sich bei Wohn-wagon umschaut, entdeckt ein klug durchdachtes Gesamtkonzept, das auf Praktikabilität und Gemeinsinn setzt. „Die Idee ist auch ein philosophisches und politisches Statement zu dem Irrsinn, der in unserer Welt passiert“, sagt Ge-schäftsführerin Theresa Steininger, 25. Sie hat Kommunikationsmanagement und Unternehmensführung studiert. Während ihrer Tätigkeit in einer Agentur betreute sie das Handwerks- und Planungsunternehmen von Christian Frantal. Der 46jährige hatte „in einem Gemeinschaftsgarten am Rande von Wien die Idee, es wäre cool, in so einem Garten eine Wohneinheit zu haben, die mit den Ressourcen auskommt, die die Natur bietet und trotzdem normalen Wohnkomfort zur Verfügung stellt.“ Steininger begeisterte sich sofort dafür: „Ich war sozusagen der erste Fan, habe den betriebswirtschaftlichen Hintergrund dazu gebracht und geschaut, dass sich das realisieren lässt.“

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Schon neun Monate nach der Firmengründung 2012 gelingt es Wohnwagon als erstem Unternehmen in Österreich, eine Crowdinvesting-Kampagne erfolgreich abzuschließen. Der Prototyp kann gebaut werden. Es folgen Messe- und Festivalbesuche und erste Auszeichnungen. Schnell wird dem Team klar, „was für ein Potential die Idee hat. Und dass man das Ganze größer denken kann, wenn man in der Welt etwas erreichen will.“ Also startet man u.a. ein Workshop-Programm für die, die sich für Selbermachen, Bauen, Planen und Autarkie interessieren. Die ersten Wohnwagons werden ausgeliefert, weitere Förderungen und Auszeichnungen kommen, das Wohnwagon-Video wird 3,6 Millionen Mal angeklickt. Und man beginnt, verschiedenste Autarkiesysteme und -artikel auch als Einzelteile zu vertreiben - von der Biotoilette über Energieerzeugungssets bis zum Holzofen und Wurmkomposter: „Wir fragen bei dem, was wir im Angebot haben, natürlich auch nach, wie die Leute damit zurechtkommen“, lacht Theresa Steininger. „Bei der Wurmkompostierung haben wir z.B. einmal gehört, dass die Kinder in einer Stadtwohnung den Wurmkompost betreiben und die Eltern dazu anhalten, die Abfälle auch ja gut zu verwerten.“ 

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Und was sagen die Kunden zu ihren Wohnwagons? Einer wollte den Wagon „als Wochenend- oder Zweithaus nutzen - und je mehr er ihn kennengelernt hat, umso mehr ist es sein Lebensmittelpunkt geworden. Er hat sogar einen Teich daneben angelegt.“ Von anderen Kunden hört das Team, „dass sie durch den Wohnwagon wieder mehr Bezug zu sich gefunden oder mehr Gespür für die Jahreszeiten entwickelt haben. Vor kurzem haben wir das Wohnwagon-Hotelzimmer zum Probewohnen eröffnet. Es ist schon ziemlich ausgebucht, und die Gäste genießen es, das Wetter so unmittelbar zu spüren und besseres Verständnis für Ressourcen und Energie zu bekommen. Über was wir uns sehr freuen, ist das Interesse aus allen gesellschaftlichen Schichten: Von jungen Paaren bis zur älteren Dame; von Menschen, die beruflich mitten im Leben stehen und  anderen, die sich im Ruhestand befinden.“

 

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Steininger und Frantal haben ihr Team inzwischen wesentlich erweitert, doch schlafen können sie zur Zeit trotzdem nicht viel, wie Steininger zugibt: „Wir bauen z.B. gerade unser erstes autarkes Einfamilienhaus in der Schweiz - es braucht keinen Anschluss ans externe Wasser- oder Kanalnetz und versorgt sich völlig selbst. Dieses Projekt wollen wir so begleiten, dass man das dazu Nötige für sein Haus auch bei uns kaufen kann. Wir möchten Menschen dazu inspirieren, sich etwas zu trauen.“

Große Bedeutung hat bei Wohnwagon ein vielschichtiges Netzwerki: „Wir sind im gesamten Startup-Netzwerk sehr aktiv, haben viele befreundete Betriebe. Und veranstalten gerade auch im Nachhaltigkeitsbereich Workshops für andere Gründer. Durchschlagskraft entwickeln wir, wenn wir uns gegenseitig helfen und unser Wissen weitergeben.“

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Bemerkenswert ist auch Steiningers Einschätzung einer Welt, die gerade auseinander zu fallen scheint: „Ich glaube, auch die zur Zeit scheinbar rückwärts gewandten Menschen wollen eigentlich ein einfacheres Leben mit Bezug zu sich und einer Sicherheit für die eigene Versorgung. Ich denke, dass das Grundbedürfnis hinter konservativen wie progressiven Veränderungswün-schen sehr ähnlich ist. Ich sehe es zwar grundsätzlich auch so, dass sich die Welt in vielen Bereichen in zwei Hälften zu teilen scheint. Aber ich glaube, wenn wir Lebenssicherheit mit einer nachhaltigen Zukunft verbinden, können wir aus diesem Dilemma herauskommen. Im Grunde sind wir ja alle Menschen, und deswegen können wir eigentlich gar nicht so unterschiedlich sein.“

www.wohnwagon.at  

(Nikolaus Wiesner, September 2016)